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SPECIAL zu Jacques Berndorf

Ein Topagent namens Müller

Rezension von Brigitte Beck zu "Ein guter Mann"

Ein Handlanger besorgt für seinen Chef eine Prostituierte. Als dieser mit ihr fertig ist, ist die Frau tot. Der "Vollzugsgehilfe" entsorgt die Leiche und bereitet die sofortige Abreise des Chefs vor. Mit dieser fast lapidar erzählten Einleitung beginnt das neue Buch von Jacques Berndorf, dem Autor, der mit seinen Eifel-Krimis um den Journalisten Siggi Baumeister berühmt geworden ist und hinter dessen Pseudonym sich der renommierte Journalist Michael Preute verbirgt.

Mein Name ist Müller, Karl Müller
Dieses Mal geht es nicht um die meist blutigen Abenteuer des Siggi Baumeister, sondern um einen neuen Helden: Karl "Charlie" Müller. So gewöhnlich wie sein Name ist auch sein Aussehen; der Autor beschreibt ihn folgendermaßen: "Er war ein sehr unauffälliger Mann, etwa einen Meter achtzig groß, zur Fülle neigend. Sein Teint war blass, seine Nase spitz, sein Kopf rundlich, bedeckt von dünnem, aschblondem Haar mit weiten Geheimratsecken. Er hielt den Kopf immer etwas vorgestreckt, was ihm das Aussehen eines freundlichen, neugierigen Vogels gab." Er kleidet sich unauffällig und wirkt alles in allem wie ein Mensch, den man sofort wieder vergisst, wenn man ihn gesehen hat. Müller ist 37 Jahre alt, wird aber sowohl zehn Jahre jünger als auch zehn Jahre älter geschätzt. Sein Vorgesetzter charakterisiert ihn so: "Das Bestechendste an ihm ist, dass er kein Held ist, weil er absolut keiner sein will." Und was ist er tatsächlich? Müller ist etwas, was keiner vermutet, und das ist auch ein Teil des Geheimnisses seines Erfolgs. Er ist Top-Agent des Bundesnachrichtendienstes.

Dieser Mann ist schon rein äußerlich das genaue Gegenteil eines James Bond, führt ein absolut bürgerliches Leben, komplett mit Ehefrau und kleiner Tochter, er wohnt in einem Reihenhaus, und Eltern hat er auch noch. Eine wahre Idylle, doch sie bröckelt an allen Enden. Mit seiner Frau hat er sich auseinander gelebt - eigentlich kein Wunder bei einem Beruf, über den er mit niemandem reden darf. Er führt ein Doppellleben, und in seiner beruflichen Existenz hat die Familie keinen Platz. Für die kleine Tochter hat er viel zu wenig Zeit, und er befürchtet, sie auf Dauer zu verlieren. Bei der Mutter findet er Verständnis, doch auch im Elternhaus ist nichts mehr in Ordnung. Der Vater liegt im Sterben, und der Sohn dringt nicht mehr zu ihm durch, um noch ein letztes Mal die Sprachlosigkeit zwischen den beiden Männern zu überwinden. Was perfekt stimmt, ist das berufliche Umfeld: Kraus, Müllers Chef, schätzt seinen Mitarbeiter sehr und hat ein fast väterliches Verhältnis zu ihm, und zu seinen Kollegen hat Müller einen guten Draht.

Reine Routine
In dieser Situation erhält Müller einen Routineauftrag. Er fliegt nach Damaskus, um dort einen seiner Agenten zu treffen. Mit Achmed, auch Laptop-Achmed genannt, verbindet ihn eine langjährige Beziehung, die einer Freundschaft schon sehr nahe kommt. Allerdings verläuft das Treffen diesmal anders als sonst. Müller spürt, dass Achmed nicht offen ist, irgendetwas verschweigt er seinem Kontaktmann, und Müller fliegt mit einem unguten Gefühl zurück nach Berlin. Bald darauf stellt sich heraus, dass ihn dieses Gefühl nicht getrogen hat: Achmed wird in Berlin gesichtet, nimmt aber keinen Kontakt mit Müller auf, sondern verschwindet im Großstadtdschungel. Der BND geht der Sache nach - wie ist Achmed überhaupt nach Berlin gekommen, was hat er dort vor und vor allem, wo ist er?

In der Zwischenzeit ereignet sich ein dramatischer Zwischenfall: Ein Transport von radioaktivem Material wird überfallen, und ein Teil der Ladung verschwindet. Was steckt dahinter? Planen Terroristen einen Anschlag? Neben der Polizei ermittelt auch inoffiziell der BND, weil bald eine Verbindung zum mysteriösen Auftauchen des naturwissenschaftlich gebildeten Achmed, der außerdem ein EDV-Crack ist, hergestellt werden kann. Müllers fieberhafte Ermittlungsarbeit wird immer wieder unterbrochen durch den Alltag: die deprimierenden Besuche im Krankenhaus, die Gespräche mit der Mutter, der unspektakuläre Auszug aus dem Reihenhaus und damit die Trennung von Frau und Kind - und eine Affäre mit einer Frau, die er zufällig kennen gelernt hat.

Alle Bemühungen des BND, ein Verbrechen, im Vorfeld zu verhindern, bleiben erfolglos. Schließlich tritt ein, was man von Anfang an befürchtet hatte: ein schrecklicher Anschlag erschüttert Berlin. Letztlich gelingt es Müller und seinen Kollegen, alles aufzuklären, den Verbleib von Achmed, die Verursacher des Anschlags und sogar den verbrecherischen Kopf, der hinter allem steckt, zu entlarven. Hier schließt sich auch mit einem überraschenden Finale der Kreis zum Prolog. Doch wie so oft im Leben, entkommt der wahre Schuldige…

Bis der Wecker klingelt
Ein Krimi, der spannender nicht geschrieben sein könnte, mit einem Helden, der den Leser für sich einnimmt - trotz oder gerade wegen seiner Durchschnittlichkeit und seines verworrenen Privatlebens, das ihn ständig beutelt. Wer braucht schon einen unfehlbaren Helden à la James Bond? Wenn es darauf ankommt, wird aus dem unscheinbaren Herrn Müller urplötzlich ein hochkonzentrierter Profi, der zwar nicht über die technischen Finessen eines James Bond verfügt, dafür aber über einem glasklaren Verstand und ein gerüttelt Maß an ermittlerischem Durchblick. Mit dieser bodenständigen, aber soliden Begabung ist dem BND im Gegensatz zum Geheimdienst seiner Majestät auch sicherlich mehr gedient.

"Ein guter Mann" ist Krimi- und Thriller-Freunden nur wärmstens zu empfehlen. Ein Buch, von dem man nicht ablässt, bis früh morgens der Wecker klingelt. Und während man die letzte Seite umblättert, fragt man sich unwillkürlich, ob - oder vielmehr wann - der Autor diesen sympathischen Antihelden Charlie mit einem neuen Fall betraut. Hoffentlich bald!

Brigitte Beck
München, Dezember 2005

Ein guter Mann

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