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Rezension zu
Die vergessene Freundin

Eine Vielzahl an Charakteren

Von: Lynn253
25.02.2019

In Rebecca Martins neuem Roman „Die vergessene Freundin“ wechseln sich hauptsächlich zwei Zeitebenen ab - Gegenwart und Vergangenheit. Die zentrale Figur ist Elly Kramer, ehemalige Schauspielerin, die 2013 ein beachtliches Alter von 101 Jahren vorweist. Und die beharrlich über ihre Vergangenheit schweigt. In dieser Gegenwart beauftragt Ellys Nichte die junge Historikerin Carina damit, eine Festschrift anlässlich des 90. Jubiläums des Lichtspieltheaters der Familie zu verfassen. Doch Ellys Geschichte und die des Kinos sind untrennbar miteinander verbunden. Nachdem es von ihrem Vater gegründet wurde, hat sie einen Großteil ihrer Kindheit dort verbracht, hat ihre Leidenschaft für den Film gefunden und dort 1924 zum ersten Mal das Mädchen gesehen, das in den folgenden Jahren ihre beste Freundin sein sollte. Dieses Mädchen, Tonja, war gerade aus Berlin hergezogen und hat vor Kurzem ihren Vater verloren. Und in gewisser Weise auch ihre Mutter - die nicht mehr in der Lage war, für sich selbst zu sorgen geschweige denn für ihre Tochter. Während Tonjas Alltag von Entbehrung und der plötzlichen Last der Verantwortung geprägt ist, wächst Elly in einer wohlhabenden Familie sehr behütet auf. Diese ungleichen Verhältnisse, aber auch Ellys emotionale Abhängigkeit von ihrer besten und einzigen Freundin belasten die Beziehung der Mädchen. Trotzdem entsteht eine starke Freundschaft. Bis schließlich Geheimnisse zwischen sie kommen und Elly eine Entscheidung trifft, die eine Aussprache unmöglich macht. Die Erzählweise ist von starken Zeitsprüngen geprägt, auch innerhalb der Zeitebenen. So ging es beispielsweise von den 30er Jahren in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, in die Gegenwart und zurück zu den 30er Jahren. Dennoch gelang es mir gut, der Handlung zu folgen. Auch wird der Auflösung am Ende dadurch nicht Wesentlich vorweg gegriffen. Ein zentrales Thema ist die Schuld, die Elly auf sich geladen hat, das Ereignis, das das Ende der Freundschaft unwiderruflich besiegelt hat. Es wird nach einer ersten Andeutung im Prolog nicht weiter charakterisiert. Stattdessen scheint die ganze Geschichte darauf zuzulaufen. Der Gegenwart wird relativ wenig Erzählzeit eingeräumt, wodurch die darin verankerten Charaktere und vor allem ihre Beziehung zueinander für mich an Tiefe einzubüßen schienen. Insgesamt treten in dem Roman eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, interessanter und vielschichtiger Charaktere auf, aus deren Sicht wechselweise erzählt wird. Ich fand es spannend, die verschiednen Blickwinkel und Schicksale zu verfolgen. Allerdings hätte der Roman wohl deutlich länger sein müssen, um ihnen allen gerecht zu werden. Bereits gleich zu Beginn des Romans wird man mit vielen verschiedenen Namen konfrontiert. So ist es nicht einfach, deren Beziehung zueinander zu erfassen zumal der Prolog einen ohne Einleitung mitten in den Konflikt zwischen Elly und Tonja hineinwirft. Die Sprache ist flüssig und angenehm zu lesen. Außerdem passt sie zu der Geschichte. Sehr gefallen haben mir auch die Details, die ein jeweils anschauliches Bild der Epoche zeichnen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Geschichte des Kinos ein. So zeigt das familieneigene Lichtspieltheater zunächst Stummfilme begleitet vom Kinoorchester, später wird zu Tonfilmen gewechselt. Auch andere Aspekte kommen zum Tragen, wobei das politische Geschehen allerdings nur am Rande angedeutet wird. Ein letztes Wort noch Titel: Mir ist nicht ganz klar, weshalb der Roman „Die vergessene Freundin“ heißt - denn Elly mag ihre beste Freundin zwar verloren haben, vergessen hat sie sie jedoch nie.

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