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Rezension zu
Die Glücklichen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Was ist Glück?

Von: Buchmacherin
15.04.2015

Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Eine Frage, die das menschliche Denken beschäftigt, seit es dazu in der Lage ist, sich nach etwas zu sehnen. Viele kluge Menschen haben sich seit Jahrtausenden der Beantwortung dieser Frage gewidmet und doch bleibt es stets etwas höchst Subjektives: Die Gesundheit? Die Liebe vielleicht? Oder ist es doch Macht, Erfolg und Geld? Manchmal gar Bescheidenheit? Kristine Bilkaus Debütroman Die Glücklichen stellt diese Fragen ganz explizit für Menschen, die scheinbar alles haben und daher so viel verlieren können. Erschienen ist der Roman im März 2015 im Luchterhand Literaturverlag und wurde seitdem nicht zu unrecht viel besprochen und hoch gelobt. [Bild vom Cover] Darum geht’s: Mit der Geburt ihres Sohnes wächst nicht nur ihr Glück, sondern auch der Druck und die Verunsicherung. Für Isabell erweist sich die Rückkehr in ihren Beruf als schwierig: Während des Solos zittern ihre Hände, nicht nur am ersten Abend, sondern auch an den folgenden. Gleichzeitig verdichten sich in Georgs Redaktion die Gerüchte, der Verlag würde die Zeitung verkaufen. Währenddessen wird ihr Haus saniert. Im Treppenhaus hängt jetzt ein Kronleuchter, im Briefkasten liegt eine Mieterhöhung. Für die jungen Eltern beginnt damit ein leiser sozialer Abstieg. Isabell und Georg beginnen mit einem Mal zu zweifeln, zu rechnen, zu vergleichen. Jeder für sich. Je schwieriger ihr Alltag wird, desto mehr verunsichert sie, was sie sehen. Die gesicherten Existenzen mit ihren geschmackvollen Wandfarben sagen jetzt: Wir können, ihr nicht. Was vertraut und selbstverständlich schien – die Cafés, Läden, der Park, die Spielplätze mit jungen Eltern –, wirkt auf einmal unzugänglich. Gegenseitig treiben sich Isabell und Georg immer mehr in die Enge, bis das Gefüge ihrer kleinen Familie zu zerbrechen droht. Mit Die Glücklichen hat Kristine Bilkau ein einfühlsames Portrait einer jungen, erfolgsverwöhnten Kleinfamilie aus der Mittelschicht gezeichnet, die feststellen muss, in einer Zeit zu leben, in der Sicherheiten Wunschvorstellungen geworden sind und die einstigen Jugendträume schneller platzen können als einem lieb ist. Nicht nur sie selbst, auch die Erwartungen an ihre Zukunft müssen hinterfragt und neu definiert werden. Bilkau offenbart dabei ein Gespür für Details, die kleinen Pausen zwischen den Atemzügen, in denen sich die ganze Tragik, aber auch Hoffnung zeigt. Die Glücklichen ist ein ergreifender Roman, der den Leser wie einen Voyeur am Leben, Scheitern und Wiederaufrappeln teilhaben lässt. Der Roman ist wie ein Fenster in das Leben von Isabell, einer jungen Mutter und Cellistin, und Georg, der gerade am eigenen Leib erleben muss, wie die augenscheinliche Sicherheit vor seinen Augen unaufhaltsam zerbröckelt. Isabell und Georg sind Menschen, die klare Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten und fest damit rechneten, dass alles genau so laufen musste. Menschen, die das Leben mit kindlicher Naivität umarmt haben, ohne die Möglichkeit des Scheiterns zu bedenken. In ihrer kleinen mittelständischen Welt sind sie umgeben von aufgehübschten Fassaden, strahlend weißen Lächeln, Feinkost und Erfolgsgeschichten – Das Leben der Anderen ist ein Maßstab, an dem es sich zu messen gilt. Unbewusst beginnt Georg zu rebellieren, einen Weg einzuschlagen, den Isabell nicht mitgehen kann. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten beginnt die Entfremdung, einzig zusammengehalten durch den kleinen Sohn Matti. Zwischen all der provokanten Schweigsamkeit, den unausgesprochenen Vorwürfen, den Verdrängungsversuchen, steht er für die Zukunft, die Hoffnung – auf ein neues Leben, ein glücklicheres vielleicht. Aller Spontaneität beraubt, müssen sich Isabell und Georg ihrer Lage stellen. Wie geht es weiter? Kann man die Wohnung halten? Welchen Platz hat man in der Arbeitswelt? Was braucht man, um glücklich zu sein? Fast könnte man denken, Kristine Bilkau hätte das alles selbst erlebt, so klar, so ergreifend ist das gezeichnete Bild. Dieses Milieu, diese Menschen, Geschichten muss sie gut kennen – sie ist eine gute Beobachterin. Der intuitive Schreibstil changiert zwischen den Emotionen hin und her. Mal ist er von Hoffnung durchtränkt, dann vor Verzweiflung spröde oder rasend vor Wut. Dabei wahrt sie aber stets den Ton, überzeichnet nichts. Niemals bricht man aus der Lebenswelt der Protagonisten aus. Was wie der Tiefpunkt einer Existenz anmutet, steht doch stellvertretend für die Ängste und Wünsche einer ganzen Generation. Die Last der Vergangenheit und Zukunft liegt auf ihren Schultern und doch ist man beständig auf der Suche nach seinem Platz, einem Druck ausgesetzt, den man nicht mindern kann, auf der Suche nach einer Scholle, auf der man sich kurz ausruhen kann. Die Glücklichen ist ein Gesellschaftsroman wie er nur selten gelingt: authentisch, berührend, erweckend, aber nicht richtend. Er ist eine Momentaufnahme im rasanten 21. Jahrhundert. Nehmt Die Glücklichen von Kristine Bilkau zur Hand und gönnt euch eine Auszeit. Lasst die Zartheit des melodischen Klangs der Worte auf euch wirken. Einmal berichtet Isabell von ihrem ersten Vorspiel, wie sie hinter einem dicken schwarzen Vorhang saß und spielen sollte. Sie wollte Leichtigkeit, vollkommene Zartheit in ihr Spiel legen, doch der Vorhang verschluckte den Klang. Ich wünsche mir, dass der dicke Mantel der Schnelllebigkeit Kristine Bilkaus Debüt nicht zum Verhängnis wird, dass die LeserInnen sich Zeit nehmen für ihr Buch. Fazit: Die Glücklichen ist ein Gesellschaftsroman, der sich mit klarem Blick der Frage nach dem Glück aus einer anderen Perspektive widmet. Ein hinreißendes Buch. Ein Buch, das gelesen werden sollte.

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