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Rezension zu
Das Mädchen aus der Severinstraße

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Mittendrin und doch nicht greifbar

Von: Frau Goethe liest
14.11.2019

Sabine hilft ihrer Großmutter Maria, deren Haus für den Verkauf vorzubereiten. Unter einem Teppich finden die beiden eine größere Summe Geld. Die Scheine waren ordentlich unter dem Teppich angeordnet, sodass man sie nicht auf Anhieb entdecken konnte. Hinter einer Holzwand im Keller hatte der Großvater zudem Goldbarren aufbewahrt. Maria bekommt eine Ahnung, dass dieses Geld noch aus Kriegszeiten stammt. Seinerzeit arbeitete er in einem Metallbetrieb, der Munition produzierte. Das kriegswichtige Unternehmen, das heute Spielzeug herstellt, möchte diese düstere Zeit aufarbeiten und hat dafür Moritz Bremer engagiert. Er soll eine Broschüre zur Firmengeschichte erstellen. Moritz nimmt Kontakt zu Sabine auf, weil er mehr über ihren Großvater wissen möchte. Sabine ist Anfang 40 und hat als Mitarbeiterin beim Jugendamt mit schwierigen Familien zu tun. Sie ist es gewohnt, mit unkooperativen Gesprächspartnern umzugehen. Wie schwer ihr das manchmal fällt, ist für den Leser spürbar. Auch ihre Großmutter ist nach dem Fund des Geldes nicht gesprächig, sondern verschließt sich ihrer Enkeltochter gegenüber. Diese weiß nur, dass Maria in den 30-er Jahren ein Fotomodell bei Coutureschauen war und ihre Karriere nach der Heirat mit Heinrich aufgegeben hatte. Der Fund des Geldes wühlt die betagte Dame sichtbar auf. Da auch Moritz auf Sabine einwirkt, die Wahrheit über die Vergangenheit zu erfahren, lässt sie mit ihren Fragen nicht locker. In kleinen Portionen erfährt sie, was damals in Köln vorgefallen ist. Gleichzeitig erhält man einen Eindruck, wie sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten das Leben für die Bevölkerung änderte. Die Figuren hat die Kölner Autorin Annette Wieners lebendig ausgearbeitet. Sie agieren glaubhaft. Der Handlungsstrang aus der Kriegszeit trägt die Geschichte. Auch als Leser möchte man mehr von Maria erfahren. Es geht dabei um Träume, Vertrauen, Unterstützung und Liebe. Alles, was das Leben ausmacht, wurde Maria während des Zweiten Weltkriegs genommen und sie musste es sich später wieder mühsam aufbauen. Erst 70 Jahre später realisiert sie, dass man ihr die ganze Zeit Wichtiges verschwiegen hatte. Ihre Liebe zum jüdischen Fotografen Noah durfte sie nicht ausleben. Man ließ sie in dem Glauben, dass er tot sei. Ihren Traum, als Fotomodell zu arbeiten, durfte sie nicht verwirklichen. Sogar von ihrem Vater und Heinrich wusste sie nicht alles. Erst Sabine hilft ihr, sich der Vergangenheit zu stellen und offene Fragen zu klären. Beide Zeitebenen ergeben ein rundes Bild von der damaligen Zeit. Zum Teil schockieren die Szenen, zum Teil atmet man auf, dass es auch den Widerstand gab. Sowohl Maria als auch Sabine sind starke Charaktere, die die Belastungen des Alltags aushalten müssen. Jede in ihrer Zeit spiegelt die Gesellschaft. Sie sind sympathisch und gleichzeitig ein bisschen sperrig. Ihre Aktionen sind somit schwer vorhersehbar und überraschen. Der gewählte Schreibstil setzt das Kopfkino in Gang. Als historischer Roman mit dem Fokus auf den Widerstand in Köln ist dieses Buch unbedingt lesenswert. Es beschreibt eine Handvoll Helden in einer wahrhaft unrühmlichen Zeit.

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