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Rezension zu
Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen!

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Gut recherchiert, aber ineffizient geschrieben

Von: Favourite trash - favourite treasure
22.12.2019

Die acht AutorInnen dieses Buches sind allesamt Studierende (und eine Absolventin). Herausgeberin Claudia Langer (*1965) ist manchen vielleicht als Gründerin der Webseite utopia.de bekannt. Das Vorwort von Harald Lesch (*1960), Professor für Physik an der LMU München, mit dem das Buch beworben wird, ist ein pathetischer Appell an Erwachsene, endlich den „Jüngsten“ zuzuhören. Das ganze Buch ist eine „Mischung aus Kampfansage und Einladung“ (S. 23). In zehn Kapiteln werden die Bedingungen zur „Rettung der Zukunft“ dargelegt. In jedem Kapitel wird ein bestimmtes Problem beschrieben und dann ein Plan dagegen vorgeschlagen. Die Kapitel sind in kleine Abschnitte mit prägnanten Überschriften aufgeteilt. Hinten sind alle Forderungen auf jeweils einer Seite noch einmal für jedes Kapitel aufgelistet. Das große Thema ist der Klimawandel. Doch das Buch geht weit darüber hinaus. Ein kompletter gesellschaftlicher Wandel wird gefordert: neue Wirtschaftskonzepte, mehr soziale Gerechtigkeit, Bildung muss revolutioniert und besser zugänglich, Politik wieder attraktiver werden. Weiterhin geht es um Digitalisierung und den Weltfrieden, besonders hier wird der Blick auf EU und Weltgemeinschaft ausgeweitet. Im Wesentlichen richtet sich das Buch gegen die Lethargie in der Politik und das bequeme Sitzen auf den eigenen Privilegien. Ich habe dieses Buch mit Vergnügen gelesen, viele meiner eigenen Gedanken bestätigt gesehen und noch viel mehr dazugelernt. Es ist gut recherchiert, fast alle Behauptungen werden durch Endnoten belegt. Und es stellt fest, was den meisten klar sein sollte, auch wenn man es sich nicht gern eingesteht: Das Leben ist lange nicht so schön, wie es eigentlich im 21. Jahrhundert für alle sein könnte. Ich muss trotzdem einige Kritikpunkte anführen. 1. Gerade, weil es sonst so gut recherchiert ist, verstehe ich nicht, warum es dennoch so schwammige Endnoten gibt wie Nr. 81: „Es warnten […] eine im Dezember 2016 in Paleoworld veröffentlicht [sic!] Studie, eine Studie des britischen Met Office im Jahre 2010 und ein Bericht der Russischen Akademie der Wissenschaften 2011“. 2. Gerade bei den die Wirtschaft und Politik betreffenden Vorschlägen ist mir oft unklar geblieben, wie der erwünschte Status erreicht werden soll. Daher scheint mir das Buch noch nicht ausgereift; andererseits wollen die AutorInnen sicher auch keinen endgültigen Fahrplan vorlegen, sondern zum gemeinsamen Umsetzen des Planes einladen, was allerdings schnell geschehen muss. Manchmal werden dann erstaunlich präzise, aber willkürliche Grenzen gezogen: „In einer lebenswerten Zukunft gibt es Millionär*innen, aber keine Milliardär*innen mehr.“ (S. 94). Im Kapitel „Bildung“, das sich fast gänzlich auf das Schulsystem bezieht, vermisse ich eine Auseinandersetzung mit der Verwirtschaftlichung der Hochschulen. 3. Wie schon im Vorwort hat mich im gesamten Buch das Pathos gestört. Metaphern werden auf die Spitze getrieben, man wiederholt sich immer wieder, das Buch enthält sehr, sehr viel Rhetorik. Emotionalität mag angemessen erscheinen, aber diese kann ohne billige rhetorische Mittel erreicht werden, die nur von den gut recherchierten Fakten ablenken. Das hätte dieses Buch nicht nötig gehabt. Trotz allem: Wenn man das Buch bis zum Ende liest, was ich allen empfehlen kann, versteht man, dass die Forderungen eigentlich gar nicht so radikal und unbequem sind, wie die AutorInnen selbst sagen. Sie betonen nämlich immer wieder, dass vor allem die großen Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden sollen, der „Durchschnittsmensch“ sollte eher noch von den Änderungen profitieren. Z.B. sollen der ÖPV von der Mehrwertsteuer befreit und das Schienennetz deutlich ausgebaut werden. Autos werden aus Innenstädten verbannt, dafür soll der ÖPNV kostenlos für alle werden, was lange überfällig ist. Alles in allem eine gelungene Lektüre von einem interessanten Projekt – ob sie auch die Leute erreicht, die es am nötigsten hätten, bleibt abzuwarten.

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