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Rezension zu
Eine Liebe in Neapel

Verloren im Spanischen Viertel

Von: Sonja Haanraads
06.02.2020

… lautet in etwa der Titel des italienischen Originals wie auch der englischen Übersetzung durch die Autorin Heddi Goodrich selbst. Warum für die deutsche Übersetzung „Eine Liebe in Neapel“ titelgebend wurde, ist mein Kritikpunkt, der mich fast daran gehindert hätte, mich für dieses Buch zu bewerben (klingt er doch so viel oberflächlicher als der Originaltitel, der auch viel mehr vom Inhalt des Romans zu fassen vermag) – und damit um ein einzigartiges Leseerlebnis gebracht hätte. Glücklicherweise ist dies jedoch offensichtlich das einzige „Übersetzungsproblem“ hier für mich, denn der Roman ist auch auf Deutsch einzigartig zu lesen. Die Ich-Erzählerin Heddi erzählt rückblickend von ihrer Liebe – ihrer Liebe zu Neapel, ihrer ersten Liebe. Gleichzeitig ist diesem außergewöhnlichen Roman der E-Mail-Wechsel mit Pietro, der ersten Liebe, die eben nicht so vergangen ist, beigefügt; nicht nur das, er beginnt mit dem E-Mail-Wechsel, der die Handlung alle paar Kapitel unterbricht, oder genauer: bereichert. Beim Lesen wird man hineingezogen, ist selbst mit dabei – in den labyrinthartigen Gassen des Spanischen Viertels, man hört die streitenden Nachbarn, spürt den Scirocco, riecht die sich vermischenden Gerüche des Viertels, sieht die alten Häuser mit den illegalen Aufbauten und schmeckt Zigarettenrauch auf der Zunge. Es ist kein Roman, den ich schnell lesen wollte; manche Sätze waren so schön, dass ich sie mehrfach lesen musste. Auffallend unter den zeitgenössischen Romanen dadurch, dass er langsam erzählt, farbig, genau. Die Handlung stellenweise genauso langsam vorantreibt wie das Leben in den stickig heißen Gassen im Sommer. Irgendwann – etwa in der Mitte der Erzählung – war das anstrengend, wollte ich, dass die Handlung schneller fließt, wollte ich wissen, was weiter passieren würde. Einzelne, wiederholt gleichartig beschriebene, Menschen wurden mir schier unerträglich. Aber genau zum richtigen Zeitpunkt zog die Handlung an, nahm mich wieder mit, die Autorin wiederholt eben nicht, was bereits gewusst wurde, vertraut hier ihren Lesern; unerträglich wurde nur, was auch der Protagonistin unerträglich war. Die Beschreibung Neapels aus Sicht der Ausländerin, der Amerikanerin, der trotz aller Liebe zu Neapel, trotz Beherrschung von Sprache und Sprechart fremd Gebliebenen lässt dieses genaue Beobachten zu, das wirklich Heimischen meist allzu entfernt ist. Dieses nicht Selbstverständliche und doch unendlich Vertraute, das der Autorin wohl auch nur möglich war, weil sie selbst aus Amerika kommend so viele Jahre in Neapel gelebt und geliebt hat – man merkt es dem Buch an. Neben diesem Dabeisein, neben der Wucht der Sprache gibt es noch einen Grund, der mich an diesem Roman gefesselt hat: Ich habe selten durch einen Roman so viel über die Bevölkerung, den Lebensstil, die Umgebung, die Bauweise und die Besonderheiten einer Stadt, eines Viertels oder Landstrichs gelernt wie in diesem Roman. Manchen Punkten bin ich weiter nachgegangen; Neapel steht auf der Liste meiner Reisewünsche nun ganz weit oben. Darum schließe ich mit einer Leseempfehlung für alle, die sich wünschen, in einer Geschichte dabei zu sein, für alle, die gerade nicht die schnelle, „flache“ Lesekost wünschen, für alle, die Interesse an Kulturellem haben – und für alle, die an der richtigen Stelle Geduld mit einem Roman haben, um zu erkennen, warum es das fast Unerträgliche manchmal braucht. All jene werden ein großartiges und außergewöhnliches Leseerlebnis haben.

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