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Rezension zu
Glasgow Girls

Große Träume einer Arbeitertochter

Von: Edith N.
04.08.2023

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass schon vor unserer Geburt festgelegt ist, wem wir irgendwann einmal begegnen. Auch nicht durch Gott. Aber ich glaube an etwas anderes: Wenn ich etwas will und es mir wirklich wünsche und mich darum bemühe, kann es Wirklichkeit werden. So wie die Sache mit meinem Studium.“ (Seite 137) Glasgow 1892 ff.: Die Arbeitertochter Olivia MacLeod zeichnet gern und gut und träumt davon, als Künstlerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch für einen Teenager aus dem ärmlichen Viertel Dennistoun ist das unerreichbar. Nie wird sie genügend Bildung und Geld aufbringen können, um an der Glasgow School of Arts studieren zu können, von der ihr Alistair „Allie“ Campbell, ein Freund seit Kindertagen, so begeistert erzählt hat. Zwei Zufallsbegegnungen verändern Olivias Leben: Sie läuft dem Architekten Charles Rennie Mackintosh buchstäblich über den Weg und sie findet Arbeit in einem der Teesalons von Kate Cranston, die dafür bekannt ist, Künstler:innen großzügig zu fördern. Miss Cranston ist sehr zufrieden mit ihrer neuen Kellnerin und fällt nach zwei Jahren guter Zusammenarbeit aus allen Wolken, als sie feststellt, wie gut ihre Bedienung zeichnen und sticken kann und dass sie ihre private Kleidung selbst entwirft. Sie bietet Olivia an, ihr die Studiengebühren für die Glasgow School of Arts vorzustrecken. Olivia kann das Geld abarbeiten und/oder später zurückzahlen. Die begabte junge Kellnerin kann ihr Glück kaum fassen. Ihr persönliches Umfeld aber ist stinksauer. Aufstiegsversuche sind da nicht gern gesehen. Wenn es nach Familie und Freunden ginge, müsste Olivia ihre Träume aufgeben, ihren Kindheitsfreund Allie heiraten und in dem Restaurant bedienen, in dem er als Koch arbeitet. Aber, sorry, Leute, das ist nicht Olivias Plan! Sie nimmt das Angebot ihrer Chefin an. Einfach ist das alles nicht. Ihre Mitschülerinnen entstammen der wohlhabenden Mittelschicht, werden von ihren Familien unterstützt und gefördert und können sich voll auf ihr Studium konzentrieren. Und Zeichenunterricht hatten sie von Kindesbeinen an. Olivia ist Autodidaktin, muss neben dem Studium arbeiten und hat daheim mit einer feindseligen Stimmung zu kämpfen. Aber sie beißt sich durch und findet an der Schule Menschen, die sie mögen, schätzen und fördern. Dass es nicht alle gut mit ihr meinen, die freundlich zu ihr sind, kommt der gutgläubigen Olivia nicht in den Sinn. Urplötzlich findet sie sich im Zentrum eines handfesten Skandals wieder und droht alles zu verlieren, was ihr wichtig ist und wofür sie so hart gearbeitet hat. Nicht einmal ihre engsten Freunde glauben ihr! Jetzt kann eigentlich nur noch ein Wunder helfen! Man kann nicht umhin, Olivia zu bewundern, wie sie sich gegen alle Widerstände in einer für sie fremden Welt behauptet. Und man ahnt die ganze Zeit, dass es für sie wohl nicht stetig aufwärts gehen wird und dass irgendwann der Moment kommen muss, der sie wieder in das ärmliche Leben zurückkatapultieren könnte, das sie niemals führen wollte. Aufstieg und Fall einer Arbeitertochter? Als Leser:in hofft man, dass sie sich mit der ihr eigenen Zähigkeit aus ihrer existenziellen Krise wieder herauswursteln wird. Olivia ist klug und talentiert, beharrlich und ehrgeizig, aber mitunter auch naiv und vertrauensselig. Mit manchen Ideen und Schurkereien, mit denen sie jetzt konfrontiert wird, ist sie noch nie zuvor in Berührung gekommen. Ist sie dem Künstlerleben, das sie unbedingt führen will, überhaupt gewachsen? Ich habe Olivia MacLeod sehr gern auf ihrem eigenwilligen Weg begleitet. Nur hatte ich gehofft, dass man der intrigantesten Person in dieser Geschichte so kräftig in den Allerwertesten treten würde, dass sie so eine Nummer garantiert nie wieder abziehen kann. Aber wer weiß? Vielleicht eilt ihr ja fortan ihr schlechter Ruf voraus. Dafür kann man in einer überschaubaren und gut vernetzten Szene ganz gut sorgen … Es ist ein gutes Zeichen, finde ich, wenn man sich noch über den Roman hinaus Gedanken über das Schicksal der Figuren macht. Dann haben sie für uns Leser:innen wirklich sowas wie ein Leben entwickelt.

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