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Rezension zu
Die Gartenparty

Wie ein leuchtender Kristall...

Von: an_der_see
06.03.2024

„Die Gartenparty“ von Katherine Mansfield lädt zu 27 Kurzgeschichten der Autorin ein, entstanden von 1912 bis 1923. Jede einzelne ist eine reiche und tiefgründige Welt, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, in der man in die innere und äußere Umgebung der auftauchenden Personen eintauchen kann. Zumeist sind es Frauen die im Mittelpunkt stehen und in deren Innenleben man Einsicht bekommt. Auf eine Art wie es sie meiner Meinung nach nur in guten Kurzgeschichten gibt, wo keine Zeit und kaum Raum bleibt um lang und breit auszuholen und episch auszuwalzen. Und doch hatte ich beim Lesen das Gefühl, jede Person schon lange zu kennen, sie schon viele, viele Romanseiten begleitet zu haben. Man wird mitten hinein geworfen in das Leben der Menschen, man begleitet sie für wenige Augenblicke, leidet und freut sich mit ihnen, man bekommt ihr Dasein mal aus einer Perspektive dargestellt und im nächsten Satz wieder aus einer anderen. Die Geschichten kamen mir wie ein von der Sonne angeleuchteter Kristall vor, der seine Prismen auf Wände und Gegenstände zeichnet, je nachdem aus welcher Perspektive der Lichteinfall kommt. Eine gute Kurzgeschichte zu schreiben ist für mich eine Kunst, über die nur wenige Autoren und Autorinnen verfügen. Katherine Mansfield ist Meisterin dieser Kunst. Beim Lesen fühlte es sich an, als säße ich in einem Zug und führe eine sehr weite Strecke, mit vielen Haltepunkten. Es stiegen Menschen ein, andere stiegen aus, einige setzten sich zu mir, andere huschten mit ihrem Gepäck an mir vorbei und ein jeder hinterließ etwas aus seinem Leben bei mir. Sei es nur ein winziger Hauch des Vorbeirauschens oder der innigere Blick hervorgerufen durch ein längeres Gespräch. Sie alle begegneten sich, aber die wenigsten sahen sich. In den Geschichten von Katherine Mansfield wird sichtbar gemacht, was vielen verborgen bleibt. Was weiß man denn schon von den Menschen, die einem flüchtig begegnen und im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden sind? Man hat für den Bruchteil seiner Lebenszeit einen gemeinsamen Schnittpunkt gehabt und die meisten dieser Schnittpunkte geraten in Vergessenheit kaum sind sie entstanden. Mich betrübt es oft, wenn ich darüber nachdenke, wie wenig man wirklich von anderen Menschen weiß, wie oberflächlich man sich begegnet, oft gefangen in seinen eigenen Launen und Befindlichkeiten, kaum in der Lage spontan auf eine neue Situation zu reagieren. Umso wertvoller sind für mich die Geschichten in „Die Gartenparty“ gewesen. Ich mag diese kurzen tiefen Einblicke in das Leben der Menschen sehr, denn das große und Ganze setzt sich doch aus kleinen Episoden zusammen, aus Befindlichkeiten die mal auftreten und mal nicht, die bleiben, aber auch wieder verschwinden können, die sich in einer anderen Situation ganz anders anfühlen können, obwohl sie dem gleichen Kern entspringen. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, ich würde die in den Geschichten auftauchenden Menschen verstehen, als sähe ich sie sehr klar und deutlich, als sähe ich ihr Menschsein. Gleichzeitig wurde mir beim Lesen wieder einmal bewusst, wie vergänglich unser Dasein ist, auch wie beliebig, welche Wirkung ein winziger Moment haben, wie schnell sich alles um uns herum verändern kann. So kam es nicht bei wenigen Geschichten vor, dass im letzten Abschnitt, ja sogar im letzten Satz noch einmal etwas erzählt wurde, was die ganze Geschichte in einem anderen Licht erscheinen ließ, nichts mehr war, wie man es sich vielleicht gedacht hatte. Ich fand alle 27 Geschichten existentiell, intensiv und sehr konzentriert. Es sind keine Geschichten die ich mal eben so hintereinander weg lesen konnte. Ich brauchte Zeit um jede einzelne zu verdauen und zu verarbeiten und irgendwie hatte ich das Gefühl, als mache mich jede von ihnen menschlicher, ermögliche mir noch einmal mehr hinzuschauen, zu erahnen, zu verstehen. Nicht jedem ist es gegeben Kurzgeschichten zu lesen und zu mögen, ich möchte fast behaupten, so wie es eine Kunst ist sie zu schreiben, so ist es auch eine Art von Kunst sich auf sie einlassen zu können. Die Geschichten in „Die Gartenparty“ sind wie ein Rausch, der schöner und vereinnahmender nicht sein könnte, der einen schwindelig werden lässt, einen beseelt und den eigenen Blick schärft. Ein Hoch auf die Kurzgeschichte im Allgemeinen und ein Hoch auf die Kurzgeschichten von Katherine Mansfield im Besonderen, lasst euch ein, lasst euch verführen...

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