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Rezension zu
Als die Sonne im Meer verschwand

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein poetischer Roman über eine palästinenische Flüchtlingsfamilie

Von: dressesandplaces.com
25.10.2015

Der erste Satz: „Von allem, was in Gaza verschwand, fehlten mir die Überraschungseier am meisten.“ S. 7 „Als die Sonne im Meer verschwand“ ist ein Roman über eine palästinensische Flüchtlingsfamilie, der über drei Generationen hinweg spielt. Die Geschichte beginnt im Jahr 1948, als das palästinenische Dorf Beit Daras von israelischen Soldaten überfallen wird und Nazmiyyas Familie fliehen muss. Ihre Schwester und ihre Mutter kommen bei der Flucht um, ihr Bruder wird angeschossen und Nazmiyya mehrmals vergewaltigt. Nazmiyya lebt von da an in einem Flüchtlingslager in Gaza, wo auch ihre Kinder und Enkelkinder geboren werden und aufwachsen. Ihr Bruder geht dagegen zuerst nach Kuwait und dann in die USA, sodass dessen Enkeltochter Nur in Amerika aufwächst. „Das Schicksal war zersprengt, und einige Teile gingen auf der anderen Seite des Atlantiks und des Pazifiks verloren.“ S. 89 Die Menschen in Gaza kämpfen um ihr Überleben: Hunger und Elend sind allgegenwärtig und der Tod lauert an jeder Ecke. Nur wächst dagegen in der wohlhabenden und sicheren westlichen Welt auf und hat scheinbar alles, was ihrer Verwandtschaft in Gaza fehlt. Doch fühlt sie sich vollkommen entwurzelt, ihre palästinensischen Verwandten väterlicherseits sind allesamt gestorben, ihre spanischen Verwandten mütterlicherseits kümmern sich nicht um sie. Sie wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschoben und stößt wegen ihrer muslimischen Religion auf große Ablehnung in einer Gesellschaft, in der der Großteil dem Christentum angehört. Als erwachsene Frau reist Nur schließlich nach Gaza, um sich um einen Patienten im Wachkoma zu kümmern. Dabei trifft sie auf ihre Familie väterlicherseits, die seit Generationen in einem Flüchtlingslager in Gaza lebt. „Jeden Abend, wenn Nur meine Schwester Rhet Shel ins Bett brachte, zog Teta Nazmiyya den Himmel zurecht, und Mama stickte die Sterne und den Mond darauf. Und am Morgen, wenn Rhet Shel erwachte, hängt sie die Sonne auf. So war es, als Nur zurückkam. Das waren die Frauen in meinem Leben, die Lieder meiner Seele. Die Männer, die sie liebten, waren alle auf die eine oder andere Art verloren, bis auf mich. Ich blieb, so lange ich konnte.“ S. 9 Der erste Teil des Buches handelt überwiegend von der Vertreibung der Palästinenser aus ihren Dörfern, dem Krieg zwischen den Israel und Palästina, und der Einlebung im Flüchtlingslager. Im zweiten Teil des Buches steht das arabische Familienleben im Vordergrund. „Ohne dass es den zänkischen Frauen bewusst gewesen wäre, schweißte Haja Nazmiyya sie zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen, die in schweren Zeiten füreinander einstand; etwa in dem Moment, als Haja Nazmiyya die Nachricht vom Ableben des Bruders bekam, oder auch später, als der Himmel einstürzte und der Tod auf ihre Dächer hinabregnete.“ S. 17 Wenn die arabische Familie kocht und reihenweise köstlich klingender Gerichte auftischt, wäre ich am liebsten dabei gewesen und hätte mit ihnen gegessen. Abulhawas Roman ist gekennzeichnet durch eine poetische Schreibweise, die die Tragik der Geschichte unterstreicht. „Wir waren in Gaza eingeschlossen. Von anderthalb Millionen Menschen gelangten jeden Tag höchstens fünf oder sechs nach Ägypten und wieder zurück. Das Elend ergoss sich auf die Straßen und gärte noch jahrelang in der heißen Sonne vor sich hin.“ S. 353 Der englische Originaltitel „The Blue Between Sky and Water“ trifft es sehr viel besser als die deutsche Übersetzung „Als die Sonne im Meer verschwand“. Denn dieses Blau zwischen Himmel und Wasser wird in dem Roman öfters thematisiert. Außerdem könnte ich mir auch gut vorstellen, dass dieser poetische Titel auch im deutschen Buchmarkt gut ankommen würde, zumal es sich um ein sehr emotionales und aufwühlendes Thema handelt. Im Gegensatz zu ihrem ersten Werk „Während die Welt schlief“, welches auch die israelische Perspektive auf den Nahost-Konflikt beleuchtete, ist „Als die Sonne im Meer verschwand“ rein aus palästinenischer Perspektive geschrieben und zudem vermutlich sehr autobiografisch, da die Autorin selbst Palästinenserin ist und in Flüchtlingslagern im Nahen Osten aufwuchs. „Teta Nazmiyya spürte, dass Palästina immer weiter in die Ferne rückte, während Israel immer näher kam. Sie besetzten die Hügel und bauten rein jüdische Siedlungen auf den fruchtbarsten Boden. Sie entwurzelten die eingeborenen Lieder und pflanzten Lügen in die Erde, die zu einer ganz neuen Geschichte heranwachsen sollten.“ S. 81 Während die Autorin in ihrem ersten Buch willkürlich die Erzählperspektiven wechselte, ist dieses Buch deutlich strukturierter. Die Sprache ist gewählter und driftet nicht ins Schwülstige, wie es bei „Während die Welt schlief“ stellenweise der Fall war. Das Buch ist durchaus interessant und seine Geschichte einzigartig in der Literaturwelt. Doch es fehlt der rote Faden, die Geschichte wirkt wie eine ungeordnete Erzählung von bestimmten Geschehnissen. Es ist schwer, sich all die arabischen Namen zu merken, vor allem da sich diese Namen durch Heirat, Geburten etc. ständig ändern. Ein detailliertes Personenverzeichnis wäre hier gut gewesen. Außerdem hat der Name „Nur“ den Erzählfluss sehr gestört. Besonders wenn der Name am Satzanfang stand, bin ich häufig über ihn gestolpert und musste den Satz noch einmal lesen. Im Deutschen wird das Wort „Nur“ eben nicht zuerst als ein Name wahrgenommen. Hier hätte man für die deutsche Übersetzung besser einen anderen Namen wählen sollen, beispielsweise den ebenfalls arabischen Namen „Noor“. Fazit: „Als die Sonne im Meer verschwand“ kommt zwar nicht als Abdulhawas erstes Werk „Während die Welt schlief“ heran, aber es ist trotzdem ein außergewöhnlicher Roman eingerahmt mit einem wunderschönen Schreibstil und einer interessanten Erzählperspektive mit einem Hauch von Mystik. Wer sich für den Nahostkonflikt interessiert, für die arabische Kultur oder das Leben in Krisengebieten und Flüchtlingslagern, wird bestimmt Gefallen an dem Buch finden.

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