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Rezension zu
Das dunkle Herz des Waldes

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Entwickelt einen märchenhaft-düsteren Sog

Von: lex
10.05.2017

Ich liebe Fantasy! Aber mein Problem mit Jugendbüchern dieses Segments ist, dass sich erfolgreiche Plots in abgewandelter Form zu oft in anderen Büchern wiederfinden. So stößt man ständig auf das gleiche Grundgerüst. Das muss ganz und gar nicht immer schlecht sein, aber nach wirklich sehr vielen gelesenen Fantasyromanen ist die Langeweile bei mir oft programmiert. Deshalb bin ich inzwischen froh und glücklich, wenn ich in dem Genre auf etwas Neues treffe – was recht selten vorkommt, hier aber der Fall ist. „Das dunkle Herz des Waldes“ von Naomi Novik ist … anders! Es ist ein Mythos, ein Märchen, es ist zugleich hell und düster, zart und gewalttätig. Es beginnt wie ein kleiner Strudel und entwickelt sich zu einem reißenden Strom. Und obwohl oberflächlich betrachtet viel Altbewährtes vorhanden sind, bricht die Geschichte mit Erwartungshaltungen und Klischees. Agnieszka und Kasia sind seit ihrer Kindheit befreundet. Sie leben in einem kleinen Dorf am Rande eines dunklen Waldes, der ein seltsames Eigenleben besitzt und gefährliche Wesen beherbergt. Die Bewohner des Dorfes haben sich mit dem Wald arrangiert, meiden ihn und werden außerdem von dem mächtigen Magier Sarkan geschützt, der allgemein nur „der Drache“ genannt wird. Die Dorfbewohner sind Sarkan dankbar, dennoch fürchten sie den Drachen. Denn dieser wählt alle zehn Jahre ein Mädchen des Dorfes aus und nimmt es mit in seinen Turm, wo es fortan ohne Kontakt zu Familie und Freunden leben muss. Nach jeweils zehn Jahren gibt der Drache die Mädchen frei, die dann seltsam verändert scheinen und nie in ihr Dorf zurückkehren. In diesem Jahr gehören Agnieszka und Kasia zur Gruppe der Mädchen, aus denen der Drache wählt. Allen scheint klar, dass Sarkans Wahl auf Kasia fallen muss, die Schönste und Mutigste der kleinen Gemeinschaft und seit jeher auf dieses Schicksal getrimmt und vorbereitet. Doch das Unerwartete geschieht: Der Drache wählt die unscheinbare und ungeschickte Agnieszka aus. Ich muss sagen, dass ich mir anfangs recht sicher war, wie sich alles entwickeln würde. Denn, hey … ein junges Mädchen wird von einem Typen in einen Turm verschleppt, wo es zehn Jahre – allein mit diesem Typen - ausharren muss. Was bitte soll man da schon denken? Offenbar das Falsche. Denn Naomi Novik hat mich mehr als einmal überrascht. Obwohl sich Teile der Geschichte wie erwartet entwickeln, tun sie es andererseits auch wieder nicht. Das liegt daran, dass die Autorin den Twists sehr ungewöhnliche Ingredienzien beimischt, diese dann ganz allmählich liebe- und fantasievoll unterfüttert und Stereotype immer wieder umschifft. Es fällt mir schwer, die Handlung angemessen in Worte zu fassen, da es zwar natürlich Ereignisse gibt, die sich schildern lassen, das Buch aber eine weitere, schwer fassbare Ebene besitzt, die sich Worten zu entziehen scheint und in mir vielmehr Dinge zum Klingen brachte. Beginnen wir mit dem Vordergründigen: Agnieszka wird nicht zur Liebessklavin von Sarkan und sie bleibt auch keine zehn Jahre in dem Turm. Stattdessen entwickelt sich „Das dunkle Herzdes Waldes“ zu einem Epos um uralte Fehden, ein gespaltenes Königreich, Geheimnisse und Magie. Zu dem anfänglichen Rätsel um den Drachen und die Dorfmädchen gesellen sich mit jeder Seite mehr Puzzlestücke hinzu. Herz der Geschichte ist aber eine ungewöhnlich starke Mädchenfreundschaft, ein genial-gruseliger Wald und eine gleichzeitig präsente wie nebensächliche Liebesgeschichte. Man kann die Story vermutlich ansatzweise als esoterisch bezeichnen, allerdings auf eine intelligente, keinesfalls plumpe Art. Sehr angenehm ist, dass Naomi Novik nicht alles bis ins Detail aufdröselt oder mit pseudoschlauen Weisheiten abhandelt. Viele Schlüsse bleiben dem Leser überlassen. Selbst im Finale bleiben Fragen offen und lassen Freiraum für die eigene Fantasie. Obwohl ich nicht das Gefühl habe, etwas nicht verstanden zu haben, hat sich mir einiges auf eine irgendwie unausgesprochene, eher empfundene Art erklärt. Vor allem aber hat dies zur Handlung gepasst wie die Faust aufs Auge. Denn ein zentrales Motiv ist das Wechselspiel zwischen kühler Logik und mythischem, inneren Wissen. Naomi Novik beschreibt zwei unterschiedliche Formen, sich die Welt und ihre Geheimnisse zu erschließen. Während die Magier (ja, es gibt außer Sarkan noch weitere Zauberer), sich auf klare, gut geprüfte Zaubersprüche verlassen, schöpfen andere Figuren ihre Kraft aus intuitiver, naturverbundener Magie, was zu vielen gegenseitigen Zweifeln führt und zu wirklich zauberhaften Szenen, in denen genau diese Zweifel überwunden werden und beide Magiearten zusammenfinden. Der sehr bildhafte, lebendige Schreibstil der Autorin trägt nicht unwesentlich dazu bei. Aber natürlich auch der unheimliche Wald, der als Setting ebenso faszinierend-dunkel wie märchenhaft ist und geradezu danach schreit, 3D auf die Großleinwand zu kommen, liebe Produzenten weltweit! Auch Agnieszka hat mich als Protagonistin überzeugt. Obgleich sie einen Hang dazu hat, alles in Unordnung zu bringen und kleinere Katastrophen zu verursachen, ist sie keinesfalls die übliche unsichere Heldin. Sie macht eigentlich keine große Wandlung durch, sondern ist von Anfang an sehr bei sich und besitzt trotz ihrer tollpatschigen Art ein natürliches Selbstbewusstsein, was Sarkan (dem großen, mächtigen Drachen) mehr als einmal zu schaffen macht, worüber ich dann mindestens ebenso oft lachen musste. Nach all den Lorbeeren möchte ich aber einige Zeilen an Kritik loswerden. Obwohl mir die Geschichte wirklich extrem gut gefallen hat und ich zu jedem Zeitpunkt wissen wollte, wie es weitergeht, ist die zweite Hälfte deutlich schwächer als die erste. Bis zur Mitte baut sich enorm viel Spannung auf, werden Charaktere eingeführt, kommen Geheimnisse ans Licht und schließlich wird es ziemlich blutig. Nach dem steilen Anstieg, gibt es dann leider eine endlose Ebene am königlichen Hof. Hier hätte man deutlich straffen oder einfach den Schwerpunkt verlagern können. Das Ganze wird recht ausladend. Natürlich gibt es auch wichtige Erkenntnisse für den Leser, aber daneben leider einige Wiederholungen und unwichtige Details. Das Gefühl, dass sich die Handlung zieht, hält dann leider bis zum Ende an. Lange gegrübelt habe ich über die Liebesgeschichte innerhalb des Buches. Sie nimmt erstaunlich wenig Raum ein, obgleich sie immer anwesend ist. Man hätte es wohl auch bei einer innigen Freundschaft belassen können. Andererseits hat mir die Botschaft dieser Verbindung im Zusammenspiel mit den beiden sie betreffenden Persönlichkeiten wirklich gut gefallen. Die allerletzte Szene ist großartig! Sie erzählt ohne viele Worte so unwahrscheinlich viel. Fazit: Ein spannendes, bildgewaltiges, ab der Hälfte etwas ausladendes Fantasymärchen um einen gruseligen Wald, den Sinn und Unsinn von Kriegen, Liebe, Freundschaft und Magie! Nach diesem Buch habe ich mir eine Gießkanne geschnappt und ausgiebig alle Pflanzen in meiner Wohnung gegossen!

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