Schon immer wollte ich Marco Polos Reisebericht "Il Milione" lesen. Und bei dieser traumhaft schönen Ausgabe vom Manesse Verlag war es um mich geschehen. Leinengebunden, mit einem Nachwort von Tilman Spengler und wundervollen Farbtafeln aus dem Oxforder Codex Bodley 264, da bleibt nichts zu wünschen übrig.
Wenn man bedenkt, wann der von Rustichello da Pisa in Zusammenarbeit mit Marco Polo geschriebene Text entstanden ist, nämlich vermutlich 1298/99, so ist er erstaunlich leicht lesbar.
Wer allerdings wundersame Geschichten über die Kunst oder Kultur der bereisten Länder erwartet, wartet vergebens. Polo reist als Kaufmann mit Blick auf Bodenschätze, Stoffe und Spezereien. Eroberungskämpfen und Machtwechseln widmet er viel Zeit, ebenso Religion und Wehrhaftigkeit der besuchten Völker, aber auch das sind wichtige Informationen für Kaufleute. So ist Il Milione eher als Reiseführer zu sehen, denn als Reisebericht.
Gezweifelt wird auch, ob Polo die genannten Länder alle selbst bereist hat. Bis Japan ist er wohl definitiv nicht gekommen und die chinesische Mauer scheint er übersehen zu haben, trotzdem ist sein Werk ein faszinierender Einblick in die Welt der europäischen Entdecker und trotz aller kaufmännischen Nüchternheit voller Abenteuer und Zauber.
Die kündigen Kommentare von Horst Lauinger helfen, die Texte einzuordnen und die Landstriche und Städte zuzuordnen, so dass man mit dem Finger auf der Landkarte mitreisen kann. Für den Geschichtslaien bleibt so nichts zu wünschen übrig, ein rundum gelungenes Gesamtkunstwerk.
