Das neue Buch von Tanja Voosen ist da!

Was würdest du tun, wenn der Junge, in den du unsterblich verliebt bist, in dir nur die beste Freundin sieht? Die 17-jährige Lorn ist zwar beim Basketball ein Star, aber in Liebesdingen total schüchtern. Deswegen hat Theo keine Ahnung von ihren Gefühlen. Sonst hätte er ihr bestimmt auch nie diesen unglaublichen Vorschlag gemacht: Lorn soll beim großen Schulball sein Date sein – aber nur, um ihm all die Mädchen vom Hals zu schaffen, die ständig hinter ihm her sind! Doch dann wird aus dem Zweckbündnis etwas viel Tieferes. Denn sowohl Lorn als auch Theo sehen sich plötzlich mit Problemen konfrontiert, die ihr Leben für immer zu verändern drohen ...

Tanja Voosen
© Fotostudio Schiller

Tanja Voosen wurde 1989 in Köln geboren und fing gleich nach ihrem Abitur mit dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern an. In ihrer Freizeit liest und bloggt sie gerne oder lässt sich von witzigen Situationen aus ihrem Alltag zu neuen Geschichten inspirieren. Gemeinsam mit unzähligen Büchern und ihrem dicken Kater lebt sie in der Nähe der Eifel.

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In diesem Moment, in dem wir beide hier mitten im Park standen, ...

... das Eis in unseren Händen langsam schmolz und irgendwo im Hintergrund ein Springbrunnen plätscherte, war es, als würde die Zeit kurz den Atem anhalten. Ohne den Blick von Theo zu nehmen, streckte ich den Arm aus und griff mit meiner freien Hand nach seiner. Meine Finger schlossen sich um seine, und ich hielt sie fest.

»Du kannst mir alles erzählen«, sagte ich leise, weil ich meiner Stimme nicht so recht traute. Dass Theo mir so nahe war, ließ mein Herz rasen und machte mich noch nervöser, als ich es ohnehin schon war, wenn ich ihm in die Augen blickte. »Nichts, was du sagst, würde jemals etwas daran ändern, dass ich dich irgendwie anders sehe. Du bist kein schlechter Mensch, bloß weil du ein paar schlechte Gedanken hast.«

Theo schluckte schwer und brachte offenbar kein Wort über die Lippen. Ich drückte seine Hand noch ein wenig fester.

»Du bist auch nicht egoistisch, weil du Colton manchmal nicht leiden kannst. Weißt du, wie oft ich meine Geschwister verfluche? Das ist normal. Niemand von uns kann immer nur selbstlos und glücklich sein«, sagte ich voller Überzeugung. Schlagartig fühlte ich eine tiefe, innere Ruhe, die sich oft in Theos Gegenwart über mich legte. Als würde er mich erden. Wenn er an meiner Seite war, gewannen nicht irgendwelche Impulse die Oberhand, sondern meine Vernunft – zumindest, wenn sich mein anfängliches Herzflattern wieder gelegt hatte. »Theo, du … « Ich hielt inne. »Du solltest viel öfter geraderaus sagen, was du denkst.«

Ja, wahrscheinlich«, sagte er leise.

Dann brach die obere Hälfte von meinem Eis ab und klatschte mit einem schmatzenden Geräusch auf den Boden. »Oh, verflucht«, schimpfte ich. Ich ließ Theos Hand los und versuchte, den Rest, der ebenfalls schmolz, noch zu retten, indem ich es mir in den Mund schob. Das hatte leider zur Folge, dass es sich anfühlte, als würde mein Hirn einfrieren. Ich stöhnte und presste mir die Finger gegen die Schläfen. »Ah! Blöde Idee!«

Theo starrte mich an und lachte dann lauthals los.

»Mensch, Lorn! Du bist echt eine Meisterin darin, in einem Moment todernst zu sein und im nächsten super tollpatschig.« Aus seinem Lachen wurde ein warmherziges Lächeln. »Das mag ich so an dir.« Er machte eine kurze Pause. »Da vorne ist ein Mülleimer.«

Erst als Theo sein Eis aufgegessen hatte und unsere Stiele entsorgt waren, verschwand die Kälte wieder aus meinem Kopf.

»Das war absolut nicht lustig«, sagte ich reichlich spät. Theo mag etwas an mir, dachte ich gleichzeitig und wurde rot.

»Lustiger als der Spruch dort auf jeden Fall.«

Wir standen jetzt nur wenige Armlängen von der Wall of Dreams entfernt, und Theo deutete auf einen unübersehbaren Spruch, der mit roter Sprühfarbe auf dem Mauerstück stand. Ich habe eine Wassermelone getragen, las ich. Theo kannte offenbar den Film nicht, was wenig überraschend war. Er mochte Filme insgesamt nicht sehr gerne. Das hatte er einmal gesagt, als Cassidy und ich vor wenigen Wochen bei ihm auf der Ranch waren. Mr. und Mrs. Griffin veranstalteten regelmäßig Partys, auf denen Western gezeigt wurden.

»Das ist aus ›Dirty Dancing‹«, klärte ich ihn auf. »Die weibliche Hauptrolle hilft jemandem, Melonen zu tragen, und gelangt so auf eine Party. Dort trifft sie auf den jungen Mann, den sie mag, und weil sie total verlegen ist, antwortet sie auf die Frage, was sie dort machen würde, mit: ›Ich habe eine Melone getragen‹.«

»Das ist irgendwie dämlich«, meinte Theo.

»Wenn man die Szene kennt, ist es schon irgendwie witzig. Außerdem war es vielleicht genau diese Melone, die für eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten gesorgt hat«, sagte ich.

»Meinst du, Meloneneis hat auch so eine Wirkung?«

»Nachdem du es beleidigt hast, sicher nicht.«

Theo setzte eine schmollende Miene auf.

Wir traten näher an die Wall of Dreams heran.

»Hast du schon mal was darauf geschrieben?«, fragte er.

Mein Blick glitt über die Mauer, die ein Meer aus Wörtern zeigte. Wünsche, Gedanken, Sorgen, Träume – verewigt in verschiedenen Größen, Handschriften und Farben. Manche Zeilen waren so winzig, dass man sie kaum entziffern konnte, andere überlagerten Wörter, die darunter standen. Der Anblick machte mich wehmütig.

Bitte lass mich meinen ersten Kuss erleben!

Ich will die Welt bereisen.

Eines Tages möchte ich meinen Vater treffen.

Eine Million im Lotto, bitte!

Ich habe Angst vor meiner Abschlussprüfung.

Unser erstes Kind bekommen <3

Das hier war viel mehr als die Wall of Dreams. Manche der Wünsche waren sogar in anderen Sprachen geschrieben. Die Vorstellung, dass an der Stelle, an der ich mich befand, Hunderte Menschen zuvor gestanden und hier einen Teil von sich selbst zurückgelassen hatten, stimmte mich plötzlich melancholisch aber auch hoffnungsvoll. Ich hatte mir vorgenommen, etwas loszulassen, damit ich wieder die alte Lorn sein konnte, die sich nicht ständig den Kopf zermarterte. Die sich nicht benahm, als würde sie in einem Glashaus sitzen und alles könnte zusammenbrechen, sobald sie auch nur einen Schritt machte.

War dieser Ort vielleicht ein kosmisches Zeichen?

»Nein«, antwortete ich schließlich.

»Ich auch nicht«, meinte Theo.

»Lass uns das ändern«, sagte ich entschlossen.

Am Boden vor der Mauer standen mehrere Kisten, in denen von Kreide bis hin zu Farbtuben und Spraydosen allerhand Zeug lag. Ich bückte mich, nahm einen dicken Stift heraus und nickte, als wolle ich mir selbst damit zustimmen.

»Okay, warum nicht«, sagte Theo.

Etwas unschlüssig standen wir nebeneinander.

Als unsere Blicke sich trafen, mussten wir lachen.

»Okay, weißt du was? Du bleibst auf dieser Seite, und ich gehe auf die andere«, sagte ich. »Dann hat jeder einen Moment zum Nachdenken, und niemand schaut dem anderen über die Schulter.«

»Dann müssen wir uns gegenseitig versprechen, nicht den Wunsch des jeweils anderen zu lesen«, meinte Theo.

»Ich kenne deine Handschrift sowieso nicht.«

»Ich deine eigentlich auch nicht.«

»Problem gelöst«, sagte ich. »Und Deal.«

Ich ging auf die andere Seite der Mauer und ließ die Augen auf der Suche nach einer passenden Stelle darüber gleiten. Das war schwieriger als gedacht. Jeder Zentimeter war voll. Ich entdeckte eine winzige Lücke neben einem Herz, in dem die Initialen F&J standen. Ein wenig musste ich mich strecken, was das Schreiben nicht so leicht machte. Außerdem musste ich wegen des rauen Untergrunds der Steine mehrmals die einzelnen Buchstaben nachziehen, damit die Farbe haften blieb. Als ich fertig war, betrachtete ich mein Werk. Irgendwie hatte ich erwartet, mich gleich besser zu fühlen, vielleicht losgelöst von meinen Gefühlen. Wahrscheinlich brauchte ich nur etwas mehr Geduld.

Ich möchte nicht länger unglücklich verliebt sein.

Mit einer Hand berührte ich die Stelle, an der mein Herz schlug.

Ja, das wünschte ich mir gerade mehr als alles andere. Was ich eben zu Theo gesagt hatte, stimmte. Man wurde kein schlechter Mensch, wenn man schlechte Gedanken hatte. Nur wenn man nach ihnen handelte. Und statt mir auf egoistische Weise zu wünschen, dass Theos Herz mir gehörte, musste mein Herz einfach …

… loslassen.

»Hey, Lorn. Bist du fertig?«, hörte ich ihn fragen.

»Ja!«, rief ich zurück. »Ich komme.«

Vielleicht war eine gute Freundin für ihn zu sein alles, was ich jemals sein würde. Und wenn es so war, dann würde ich die beste Freundin sein, die Theo jemals gehabt hatte. Das verdiente er. Denn vielleicht war das Gefühl, verliebt zu sein, wie eine der Jahreszeiten. Für eine bestimmte Zeit gehörte ihr die ganze Welt, aber dann war sie vorbei, und das Leben ging trotzdem weiter.

My Second Chance

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Der Vorgänger: My First Love

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