Raffiniert, heimtückisch und mit überraschendem Ende
Von:
paper.and.poetry
04.11.2016
„Die Frau an der Schreibmaschine“ ist Suzanne Rindells erster Roman und ein sprachlich ausgereiftes, mit raffinierten Wendungen versehenes Debüt.
Wir befinden uns im New York der wilden 20er Jahre, das von Prohibition, rasanten Partys, mutigen Frauen und einer Welt im Wandel dominiert wird. Rose arbeitet als Stenotypistin bei der New Yorker Polizei und ist dadurch so manches gewohnt. Nichtsdestotrotz gehört sie eher dem Typ braves und naives Kleinstadtmädchen an und hat so gar keine Erfahrungen, was das New Yorker (Nacht)leben der Roaring Twenties betrifft. Bis eines Tages Odalie auftaucht und sich als ihre neue Kollegin vorstellt. Rose ist sofort beeindruckt von Odalies glamourösem und selbstbewusstem Auftreten, welches nicht gegensätzlicher zu ihrem eigenen hätte sein können. Odalie nimmt Rose mit in eben jenes Nachtleben und diese ist wie berauscht und bricht Stück für Stück mit ihren alten Gewohnheiten. Es entwickelt sich eine Freundschaft, schon fast eine Obsession, denn Rose sieht in Odalie eine Leitfigur, die sie zugleich bewundert und abstößt. Doch wer war Odalie wirklich und wer gibt sie vor, zu sein? Immer öfter treten Personen aus Odalies Vergangenheit auf, die Rose an deren Identität zweifeln lassen und immer mehr gerät Rose in einen Strudel aus Geheimnissen und Lügen, bis sich alles in einer verzweifelten Nacht entlädt.
Zugegeben, ich brauchte einige Zeit, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen, der sehr nah an das zeitliche Geschehen angelehnt ist und stark an Romane aus den 20ern erinnern soll. Das ist Rindell zum Teil auch sehr gut gelungen, man fühlt sich in der Zeit zurückversetzt und spürt förmlich die Atmosphäre der Roaring Twenties aus dem Buch aufsteigen. Doch manches Mal wirkt dies wiederum zu stark aufgesetzt und stoppt den Lesefluss, zumal ihre Sätze oft sehr lang und sehr verschachtelt sind.
Die Geschichte wird recht kühl und distanziert aus der Perspektive Roses erzählt, die sich mittlerweile in einer 'Nervenheilanstalt' befindet und von dort aus rückblickend auf das Geschehene schaut (hier wird Rindells Bewunderung für Fitzgeralds 'The Great Gatsby' deutlich). Auch wenn der Leser, von Rose angesprochen, direkt mit einbezogen wird, erschwert diese Emotionslosigkeit es ihm, Sympathien zu den Figuren aufzubauen. Vermutlich ist das von der Autorin gewollt, als Leser eher Antipathie als Sympathie zu empfinden, aber doch fiel es mir dadurch schwer, eine Bindung zu dem Buch aufzubauen, was ich als sehr schade empfinde. Rindell schafft es zwar immer wieder die Spannung zu erhöhen, indem sie Rose vorgreifen lässt (à la 'ich hätte es wissen müssen'), weshalb das Buch bis zur letzten Wendung ein Pageturner bleibt, aber doch habe ich den mitreißenden Faktor vermisst, den man nur erreichen kann, wenn man mit einer Figur mitfiebert und mitleidet. Auf den letzten 80 Seiten hat mich das Buch dann aber doch stark mitgerissen, da wirklich so einiges passiert, was ich nicht erwartet hätte. Das überraschende Ende und die psychologischen Kniffe und Wendungen sind es, die mir an dem Buch am meisten gefallen haben. Leider hat es dennoch meine Erwartungen nicht ganz erfüllen können, was zum größten Teil daran liegt, dass man sich meiner Meinung nach einfach nicht mit einem F. Scott Fitzgerald messen kann. Dagegen stumpft jeder Versuch ab, auch nur etwas ähnlich sein zu wollen. Trotzdem ist es ein gelungenes Debüt, vor allem für Liebhaber raffinierter Geschichten und der Roaring Twenties. 3,5 von 5 Sternen.