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Rezension zu
Städte aus Papier

Wie Emily Dickinsons Leben hätte sein können

Von: Marina Büttner
10.07.2022

Ein wenig spektakuläres Leben führte die Dichterin Emily Dickinson. Wenig weiß man übers sie. Zeitlebens wurden ihre unzähligen Gedichte nicht veröffentlicht. Das Buch der Kanadierin Dominique Fortier zeigt uns in kurzen Episoden auf, wie Dickinsons Leben hätte sein können. Sie tut das in ungewöhnlicher Form: Teils sehr poetische Abschnitte wechseln mit essayartigen Sequenzen, zusätzlich bindet sie eigene Erlebnisse mit in den Erzählstrom ein. Am besten liest man parallel dazu Dickinsons Gedichte. So eröffnen sich tiefere Einblicke. „Bis jetzt gibt es Amherst für mich nur auf dem Papier. Ist es gut, wenn das so bleibt? Oder sollte ich, um besser schreiben zu können, die beiden in ein Museum verwandelten Häuser besuchen? Kurz gesagt: Ist es besser, sie so beschreiben zu können. wie sie in Wirklichkeit sind, oder frei zu sein, sie zu erfinden?“ Am 10. Dezember 1830 wurde Emily Dickinson in Amherst, Massachusettes geboren und sie lebte dort bis am 15. Mai 1886 starb. Sie ging zur Schule, durfte ein Jahr lang ein College besuchen, schrieb sehr früh, aber immer nur für sich. Sie zog sich oft sehr zurück, verließ später nicht einmal mehr ihr Zimmer, suchte die Einsamkeit. Fortier berichtet über all das, aber eben nicht wie in einer Biographie, sondern in ihrem ganz eigenen Zugang zur Persönlichkeit und zum Schreiben Dickinsons. Manchmal habe ich beim Lesen das Gefühl, sie versetzt sich direkt hinein in Emily und fühlt, was sie fühlte. Es ist ein schwieriges Unterfangen, denn man weiß sehr wenig über Dickinsons Leben und ein solches Buch könnte leicht übergriffig werden. Doch es gelingt Fortier meines Erachtens sehr gut. Sie entwickelt die nötige Feinfühligkeit, schreibt ihr aber gleichzeitig eine schöne Stärke zu, die sie auch gehabt haben muss, um in der Familie ihren Willen durchzusetzen. Schließlich hat man sie nicht verheiratet und ließ sie in ihrer Besonderheit gewähren. „Die Zeit vergeht nicht, sie steht still. Jeder Tag dauert eine Ewigkeit, ein ganzes Leben in den Stunden zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Jede Nacht ein kleiner Tod. Trotzdem wacht sie am nächsten Morgen auf, erstaunt, da zu sein. Eine neue Chance wird ihr geboten, aber was soll sie damit?“ Für mich liegt in Dickinsons Schreiben ein besonderer Zauber, vor allem auch angesichts des geringen Spektrums an Inspiration von Außen, dass ihr zur Verfügung stand. Wahrscheinlich gab es ein reiches Innenleben und ein weitreichendes Vorstellungsvermögen. Und sie verfügte sicher über eine große Sensibilität für die kleinen Dinge, etwa die, die im Garten zu finden waren, den Fortier auch oft beschreibt. Dickinson las und schrieb viele Briefe, doch der Kontakt blieb oft einseitig. Alles was Dickinson schrieb, blieb in der Schublade; nur wenige Gedichte fanden in ihre Briefe an Freunde oder Verwandte Eingang. Erst Schwester Lavinia, die ebenfalls unverheiratet im Haus blieb, gab nach Emilys Tod Gedichte zur Veröffentlichung frei. 1890 erschien der erste Band mit der der posthume Ruhm begann. „Tell all the Truth but tell it slant – Success in circuit lies;“ Was mir nicht immer stimmig erschien, sind die Episoden aus dem eigenen Leben, die Fortier mit einschiebt. Sie sind nicht wirklich störend, aber ich finde auch keine richtige Verbindung zu Dickinson in ihren Erlebnissen. Wer eine besondere, sehr offene Art an Emily Dickinsons Leben heran zu treten erlesen möchte, dem sei das Buch sehr empfohlen. Es entwickelt eine ganz eigene Poesie.

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