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Rezension zu
Montana

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ohne Netz und doppelten Boden

Von: Elke Heid-Paulus
03.05.2016

Smith Henderson ist ein amerikanischer Autor, der vor seiner Karriere als Schriftsteller in verschiedenen Bereichen gearbeitet und seine Brötchen verdient hat, unter anderem auch als Sozialarbeiter. Diesen beruflichen Hintergrund teilt er mit Pete Snow, dem Protagonisten seines ersten Romans „Montana“ (im Original „Fourth of July Creek“, erschienen 2014), für den er in seinem Heimatland mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht wurde. Der Roman spielt zwischen 1979 und 1981, der Demokrat Jimmy Carter ist noch Präsident der Vereinigten Staaten, und der Republikaner Ronald Reagan schickt sich an, demnächst im Weißen Haus einzuziehen. Es ist eine Zwischenzeit, eine Periode des Umbruchs, in der Althergebrachtes an Gültigkeit verliert. Ob das gut oder schlecht ist, mag jeder selbst beurteilen, aber in den Tälern und Hügeln von Montana interessiert das niemanden. Die Regierung hat die Menschen dort vergessen, und genau aus diesem Grund wollen diese auch mit den offiziellen staatlichen Stellen nichts zu tun haben. Man ist misstrauisch, lebt lieber nach seinen eigenen Regeln in den Tag hinein, versäuft den letzten Dollar vom ohnehin kargen Wochenlohn. Keine guten Voraussetzungen, um Kinder großzuziehen. Und auch das Leben des Protagonisten Peter Snow ist in einem Zustand der Veränderung. Als Sozialarbeiter kümmert er sich um dysfunktionale Familien und die vernachlässigten und misshandelten Kinder in der Gegend. Aber er kann nicht allen helfen, dafür sind es einfach zu viele Fälle. Dazu kommt, dass Snows Persönlichkeit der seiner Klienten gleicht. Einerseits bemüht er sich um Stabilität für diese Familien, andererseits ist seine Familie durch eigenes Fehlverhalten zerbrochen. Seine Frau hat ihn verlassen, und nun scheint er auch noch seine Tochter zu verlieren. Und er ist sich bewusst, dass er mehr mit seinen Klienten gemeinsam hat als ihm lieb ist. Ich hatte beim Lesen oft den Eindruck, dass sich Snow nur sehr ungern mit seiner eigenen Situation auseinandersetzen möchte und sich deshalb mit Engagement um die problematischen Fälle kümmert, die ihn von Berufs wegen erreichen. Wie beispielsweise Jeremiah Pearl und seine Familie. Fanatisch und fundamentalistisch bis ins Mark, misstrauisch gegenüber jedem und allem. Ihr Leben fernab jeder Zivilisation in den Wäldern wird von Endzeit-Visionen geprägt, ihre Kinder sind sich selbst überlassen, besuchen keine Schule und verwahrlosen. Bis eines Tages Ben, Pearls Sohn, in der Kleinstadt auftaucht und offensichtlich Snows Hilfe bedarf… Hendersons Roman ist sowohl Country Noir als Gesellschaftsroman. Es sind diese Lebensumstände im ländlichen Montana, die den Menschen kaum eine Perspektive bieten. Es gibt keinen Ausweg. So ist es nicht verwunderlich, dass Pearl der Gesellschaft und ihren Repräsentanten misstraut, sich in die Isolation flüchtet und seltsame Ideen entwickelt. Und auch die Hilfe von außen lindert nur kurzzeitig, weckt Hoffnung, die nur wieder in Enttäuschung endet, was auch Peter Snow völlig klar ist. Es ist ein Leben auf Messers Schneide, ein Tanz am Abgrund, ohne Netz und doppelten Boden. Lesen!

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