Buchhandlung Jost GmbH
Von:
Tobias Wrany
aus Bonn
01.05.2018
Christine Mangan benötigt keine blumigen Umschreibungen oder weitschweifende Erkundungen von Seelenlandschaften, um ihre Figuren gleichermaßen prägnant, wie eingehend vorzustellen und ihre nuancierten Befindlichkeiten auszuloten. Sie nutzt die eigene Sprachkraft und wählt ihre Worte so punktgenau, dass die Lektüre häufig selbst unvermittelt ausreicht, um ihren Protagonisten unangestrengt ganz nahe zu kommen. Damit hat Christine Mangan die ideale Grundlage geschaffen, um ihr kriminelles Trauerspiel um enttäuschte Liebe, zersplitterte Lebensträume und fehlgesteuerte Ambitionen mit gnadenloser Präzision ablaufen zu lassen. Abzüge müsste sich die Autorin allenfalls dahingehend gefallen lassen, als sie ihr Opfer so anlegt, dass sie es ihrer Gegenüber letztlich unnötig einfach macht - andererseits ist aber auch anzuerkennen, dass "Nacht über Tanger" gerade nicht auf formelhaft konstruierten Intrigen basiert, sondern (in gewissem Umfang nachvollziehbare) menschlich verständliche Enttäuschungen in die Motivlage einfließen lässt.
Der wirklich entscheidende Punkt, welcher den Roman aber tatsächlich auszeichnet (ebenso fiesliche, wie virtuose Intrigenspiele könnte man ja tatsächlich auch oder eher bei Klassikern, wie jenen von Patricia Highsmith erhalten) ist die atemberaubend dichte Atmosphäre des Schauplatzes, Tanger in den späten fünziger Jahren: Bar jedweden exotischen Kitsches und mit traumwandlerisch sicherem Blick für jedes kleine prägnante Detail spürt man in jedem Moment die mörderische Hitze, fühlt (mit den Protagonisten) den steten Hauch von Verunsicherung in dieser so fremden Umgebung und sieht in klaren Bildern, die mediterrane Schönheit, ebenso, wie die angedunkelten, unschönen Ecken und Winkel. Gerade in einem solchem Umfeld ganz ohne billige Klischees auszukommen und statt dessen auf einem sprachlichen Premiumniveau gänzlich im Dienste der Geschichte und des absolut stimmigen Gesamtkolorits zu agieren, zeichnet Christine Mangan (und die Übersetzerin Irene Eisenhut) aus und macht "Nacht über Tanger" zu einem perfekten Beispiel eines anspruchsvollen Unterhaltungsromans.