Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Das Zimmer

Jonas Karlsson

(6)
(2)
(2)
(0)
(0)
€ 13,99 [D] inkl. MwSt. | € 13,99 [A] | CHF 20,00* (* empf. VK-Preis)

Der Schwede Jonas Karlsson, Jahrgang 1971, zählt in seinem Geburtsland zu den bekanntesten und angesehensten Schauspielern, und gewann bereits zweimal den schwedischen Filmpreis. In seinem schriftstellerischen Dasein hat er bereits Kurzgeschichtensammlungen, Romane und ein Theaterstück veröffentlicht, doch erst sein Roman „Das Zimmer“ brachte ihm auch internationale Bekanntheit ein. Büroalltag – Arbeitswahn, Kaffeeklatsch, Zeitpläne In der modernen Arbeitswelt entwickelt sich das typische Bild eines Büroangestellten schnell zu dem der entseelten Arbeitsdrohne, ein wandelnder Terminkalender, der roboterartig seine Tätigkeit verrichtet. Effizienz vor Individualität, und alles, alles für den Job. In der Behörde – die von Karlsson nie wirklich näher definiert wird – geht alles seinen gewohnten, ja, fast schon gemütlichen Gang. Kaffeepausen, mehr oder weniger organisiertes Chaos, der typische Tratsch zwischen Kollegen betten sich in das Rahmenkonstrukt aus standardisierten Arbeitsabläufen. Büroalltag. Der Chef hat das Sagen, gibt Anweisungen, die Angestellten erfüllen die an sie gestellten Aufträge. Eine eher eintönige Kulisse für einen Roman, doch die Konformität wird je unterbrochen, als mit Björn ein neuer Mitarbeiter in der Tür steht. Er ist die Effizienz in Person, spornt sich mit einem ausgefeilten Zeitplan, in dem sogar der Gang zur Toilette eingetaktet ist, zu Höchstleistungen an, und treibt seine neuen Kollegen mit seinem pedantischen Ordnungsfimmel in den Wahnsinn. Björn ist kein Rädchen im großen Getriebe der Bürowelt. Er hat Ziele, Aufstiegswünsche, möchte hinter die Kulissen schauen, um letztendlich selbst eines Tages im Chefsessel zu sitzen. Als der Beste von allen. (K)Ein Rädchen im Getriebe der Arbeitswelt Als Ich-Erzähler fungierend lässt Björn weder seine Kollegen noch seinen Chef im besten Licht erscheinen. Doch schon bald wird dem Leser klar, dass man sich auf die Sichtweise des einsamen Helden keineswegs verlassen kann. Als unzuverlässiger Erzähler zeichnet sich Björn auf möglichst positive Weise, doch zwischen den Zeilen ist schnell klar, warum der seine alte Firma verlassen musste. Genau hier setzt Karlsson an und schafft ein wahres, kleines Kunstwerk. Wahn und Wirklichkeit beginnen aufeinander zu treffen, als Björn ein Zimmer entdeckt – klein, ohne Fenster, jedoch ordentlich und strukturiert – welches keiner seiner Kollegen sehen kann. Dort, wo sich für Björn eine Tür befindet, sehen alle anderen nur eine Wand. Perfide Psychospielchen, um den unerwünschten Workaholic loszuwerden, oder ist Björn in all seinem – sogar nächtlichen – Arbeitseifer endgültig dem Wahnsinn verfallen? Perfektionismus und Wahn in der modernen Arbeitswelt: Ein Zimmer, wo keines ist Geschickt mit dieser Ungewissheit spielend überlässt Karlsson es dem Leser, sich ein eigenes Urteil zu bilden, schürt Zweifel und Verwirrung. Ist Björn als Außenseiter und Eindringling in das bisher ganz wunderbar funktionierende Hamsterrad Büro so sehr bei seinen Kollegen verhasst? Wem soll man am Ende glauben? „Das Zimmer“ erweist sich als kunstvoll strukturierter Roman, der trotz seines eher einfach gehaltenen, aber fast schon philosophischen Schreibstils einen wahren Sog auf den Leser ausübt, ähnlich wie das mysteriöse Zimmer auf Björn. Hineingezogen in ein groteskes und fesselndes Konstrukt, in dem die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen, entfaltet sich ein dramaturgisches Meisterwerk inmitten der alltäglichen Arbeitswelt. Alltagsflucht? Psychoterror? Wahnvorstellungen? Mobbing? Das sollte der Leser für sich entscheiden.

Lesen Sie weiter

Joans Karlsson, Jahrgang 1971, ist nicht nur Autor, sondern auch Schauspieler. „Das Zimmer“ erschien 2016 auf Deutsch und wurde von Paul Berg aus dem Schwedischen übersetzt. Björn, der Ich-Erzähler des Romans, arbeitet seit Kurzem in „der Behörde“. Wofür diese Behörde nun genau zuständig ist, erfährt man nicht. In seinem vorherigen Job wurde ihm nahegelegt, zu gehen und nun hat er einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro, in dem er Akten bearbeitet. Er ist sehr ehrgeizig und sieht seine Chance, in der Behörde aufzusteigen, hält er sich doch für intelligenter und arbeitsamer als seine Kollegen. Jedoch unterscheidet sich Björn auch in anderer Hinsicht von ihnen: Er ist sozial inkompetent und wenn ihn etwas an seinen Kollegen stört, dann sagt er es ihnen frei heraus, er nimmt keine Rücksicht auf die Empfindlichkeiten seines Umfelds. Auch legt er keinen Wert auf nähere Bekanntschaften mit seinen Kollegen und macht das durch seine kurzsilbigen Antworten deutlich. Er fühlt sich von dem Verhalten seiner Umgebung abgelenkt, es bringt ihn in seinem Arbeitsrhythmus mit fest gelegten Pausen durcheinander. Eines Tages entdeckt er aber auf dem Weg zur Toilette eine Tür, hinter der sich ein kleines Büro befindet. Sobald er dieses Zimmer betritt, fühlt er sich ruhig und kann sich danach wieder ungestört seinen Aufgaben widmen. Allerdings behaupten seine Kollegen, dass dieser Raum nicht existiert und Björn vermutet, dass sie das sagen, um ihn zu mobben. Er besucht weiterhin das Zimmer und macht sich damit noch mehr zum Außenseiter des Büros, es wird ihm sogar von seinem direkten Vorgesetzten verboten, das Zimmer nochmals zu betreten. Also besucht er es heimlich, wenn alle gegangen sind und arbeitet darin unglaublich produktiv. „In ihm herrschte die gleiche Art von Entspannung und begrenzter Freiheit. Jede Linie schien perfekt mit der nächsten verzahnt zu sein. Alles Turbulente, Unruhige verschwand. Die Präzision kehrte zurück.“ Doch was macht dieses Zimmer zu so etwas Besonderem? Existiert es überhaupt? Dieses Buch hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen, es ist leicht und flüssig zu lesen, vielleicht auch dank der sehr kurzen Kapitel. Es ist zu einem gewissen Grad kafkaesk, Karlsson erreicht zwar bei weitem nicht die sprachliche Virtuosität Kafkas, doch der Leser befindet sich in einer undurchschaubaren Situationen, da erst am Ende geklärt wird, ob sich das Zimmer nur in Björns Kopf befindet oder er aufgrund seines ungewöhnlichen Verhaltens das Opfer einer großangelegte Mobbingaktion seiner Kollegen ist, auch das Unwissen, für welche Dinge diese ominöse Behörde zuständig ist und warum ihr eine mögliche Schließung droht, trägt dazu bei. Björn ist nicht durchschnittlich, meiner Meinung nach könnte es sein, dass er das Asperger Syndrom hat, denn das würde sein Benehmen gegenüber den Kollegen erklären. Da diese sich darüber keine Gedanken machen, sondern ihn wahrscheinlich als Sonderling abstempeln und meiden und ab einem gewissen Zeitpunkt auch einfach nur „loswerden“ wollen, zeigt, dass die (Arbeits-) Gesellschaft doch weniger Platz für anders denkende Menschen hat, als man gemeinhin annimmt. Björn erfährt erst Anerkennung und auch eine gewisse soziale Akzeptanz, als er (dank der heimlichen Arbeit in dem Zimmer) Erfolg hat, wobei ihm da auch klar wird, was den Unterschied zwischen ihm und den anderen Büromitarbeitern ausmacht. „Ich war ihnen immer etwas voraus. Ungefähr zwei Wochen. Sie benötigten diverse Gelegenheiten, um wahrzunehmen, was ich bereits beim ersten Versuch sah. War es mit dem Zimmer vielleicht das Gleiche?“ Um meine Kritikpunkte an dem Buch zu schildern, müsste ich auf das Ende näher eingehen, was ich aber hier nicht tun möchte. Abschließend bleibt zu sagen, dass „Das Zimmer“ ein Roman mit guten Ideen (z.B. dass beruflicher Erfolg auch gesellschaftlichen Erfolg bedeutet, der unabhängig ist von den positiven und negativen Eigenschaften der erfolgreichen Person) und einer gut zu lesenden Umsetzung ist, ich allerdings einen anderen Ausgang interessanter gefunden hätte.

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.