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Rezensionen zu
Die Vergessenen

Ellen Sandberg

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Ich fand den Schreibstil wirklich sehr ansprechend und gut gelungen. Er lässt flüssiges lesen zu. Ellen Sandberg schreibt über sehr sensible Themen, und beweist wahrlich viel Feingefühl und Empathie dabei. Obwohl ich zunächst sehr skeptisch dem Buch gegenüberstand, hat mich die Story von Anfang an gepackt und ich habe es eigentlich nicht mehr aus der Hand gelegt Hier wird wirklich sehr atmosphärisch erzählt. Der Spannungsbogen kann während des gesamten Buchs wirklich ausgesprochen gut gehalten werden. Die Art und Weise wie zwei Geschichten miteinander verknüpft werden ist wirklich sehr gelungen. Die Protagonisten sind mit viel Liebe zum Detail beschrieben und waren während der gesamten Story immer gut spürbar! Auch die Perspektivenwechsel kommen immer zur rechten Zeit. Somit geht hier auch nichts an Spannung verloren. Insgesamt konnte mich dieses Buch durch diese solide und absolut glaubwürdige Story wirklich überzeugen, ich hatte wirklich viele schöne Lesestunden voller Emotionen damit. Ich vergebe 5 von 5 Sterne.

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Manolis Lefteris erhält den Auftrag diverse Akten einer alten Frau abzunehmen. Für ihn scheint es ein absoluter Routine Fall zu sein. Doch während seiner Suche nach den Akten, lernt er die Dame Kathrin Mändler etwas besser kennen, oder besser gesagt ihr Geschichte. Eine Frau, die 1944 eine Stelle als Krankenschwester antrat, als der Krieg in vollem Gange war. Schnell begreift er, dass er einem Verbrechen auf der Spur zu sein scheint, das all die Jahre im Verborgenen lag. Nie wurde dafür jemand zur Rechenschaft gezogen. Doch sein Auftrag lautet lediglich die Unterlagen ausfindig zu machen. Vera, die Nichte von Kathrin Mändler und Journalistin, kommt dem Ganzen ebenfalls auf die Schliche und will damit an die Öffentlichkeit gehen. Wer schafft es zuerst an die Unterlagen zu kommen? Und wird die Gerechtigkeit doch noch siegen? Das Buch habe ich vor knapp einer Woche beendet und bin immer noch absolut überwältigt davon. Ich bin nicht sonderlich gut darin ein Buch in seine Einzelteile zu zerpflücken, weil ich das eigentlich auch gar nicht will. „Die Vergessenen“ wird aus verschiedenen Perspektiven erzählte. Einmal haben wir Vera, die aufstrebende Journalistin, zumindest wünscht sie es sich. An die Geschichte gerät sie eher durch Zufall und nur durch diesen blöden Zufall, ist es ihr überhaupt möglich eine Geschichte daraus zu machen. Oder sollte ich sagen: Die Wahrheit ans Licht zu bringen?! Dann gibt es noch Manolis, der eigentlich nur einen Auftrag erledigen will. Einen von vielen, die er neben seinem normalen Leben noch erledigt. Aufgrund dessen heftet er sich, mehr oder weniger, an Veras Fersen. Lange bleibt dem Leser unklar, welche Rolle Manolis eigentlich in der Geschichte übernimmt. Außerdem hätten wir dann noch Kathrin. Aus ihrer Sicht erlebt der Leser die Erinnerungen einer jungen Frau während des Krieges. Das fand ich persönlich recht schön, da man somit auch noch mitten drin, statt nur dabei war. Gegen Ende der Geschichte kommt dann noch ein Ort des Geschehens hinzu, aber den lasse ich außen vor, auch wenn er grandios in Szene gesetzt ist bzw. dem Ganzen noch einen besonderen Feinschliff gibt. Besonders gefällt mir, dass Ellen Sandberg zwar fiktive Personen gewählt hat und das große Ganze fiktiv war, aber die einzelnen Hintergründe auf gewissen wahren Tatsachen beruhen. Es war mal wieder ein Zeichen dafür, wie wenig Ahnung wir doch eigentlich haben – oder wie viel in Vergessenheit geraten ist. Die Charaktere fand ich sehr schön gezeichnet, vor allem Manolis, von dem man eigentlich lange nicht weiß was man von ihm halten soll. Am Ende war ich fast ein bisschen traurig, die Protagonisten ihres Weges ziehen zu lassen, da ich sie so gern gewonnen hatte. Ich weiß gar nicht was ich noch groß zu dem Buch sagen soll, vor allem ohne zu viel zu verraten. Es hat mich gefesselt, gebannt und ich wollte es am liebsten nicht mehr aus der Hand legen. Fazit: Ein ganz klar zu empfehlender Spannungsroman mit viel Tiefgang.

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Inzwischen sind 73 Jahre seit Ende des 2. Weltkriegs vergangen. Die letzten Zeitzeugen werden alt oder sterben. Außer der Geschichtsunterricht in der Schule, Dokumentationen und Museen, erinnert nicht viel mehr an einzelne Taten. Das wollte die Autorin mit "die Vergessenen" ändern und zeigt den Lesern, einen Teil der wahrscheinlich düstersten Geschichte Deutschlands. Erzählt wird zum einen die Geschichte der jungen Kathrin, welche 1944 in einer Heil- und Pflegeanstalt als Krankenschwester anfängt zu arbeiten. 2013 ist sie schon älter und erliegt einem Schlaganfall. Ihre Erinnerungen spielen sich während ihres Komas ab. Während sie also im Krankenhaus liegt, bekommt Manolis Lefteris einen neuen Auftrag: Er soll ein Dossier mit Unterlagen finden. Worum es sich bei den Unterlagen handelt, weiß er nicht und wie immer fragt er nicht, sondern nimmt seinen Auftrag einfach an. Daneben taucht noch Vera auf , die Nichte Kathrins. Sie ist eine unzufriedene Journalistin, die lieber im Bereich Politik schreiben würde, anstatt über Beautytrends für Frauen ab 40. Beide sind auf gewisse Weise unzufrieden mit ihrem Leben. Beide verbindet was: Die Unterlagen? Wo sind sie und was hat Tante Kathrin mit der Ermordung von Pfleglingen in Heil- und Pflegeanstallt zu tun? Die Handlung als solche ist fiktiv, genau wie die Personen. Die Geschichte dahinter ist leider nicht fiktiv: Im 2. Weltkrieg wurden nicht nur "nicht-arier" getötet, sondern auch Menschen mit einer Behinderung oder andersweitig Kranke. Leider ging dies nach Ende des Krieges oftmals unter und viele Nazis, Ärzte und anderweitig beteiligte kamen ungeschoren davon. Daran möchte die Autorin erinnern, was ihr - wie ich finde - auch gelingt. Daneben schildert sie noch ein anderes Ereignis, welche auch die folgenden Generationen noch beschäftigt, auch wenn viele von uns nie davon gehört haben. Von der ersten Seite war ich gefesselt und am Ende hab ich mich durchgegoogelt, nach weiteren Informationen. Ich empfehle dieses Buch allen Krimifans, aber auch an diejenigen, die Interesse an Geschichte habe ... eigentlich sollten alle dieses Buch lesen. Der Inhalt ist auch heute noch wichtig.

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Ein Buch, welches mich absolut überrascht hat. Als ich den Klappentext gelesen habe wurde ich neugierig, jedoch ahnte ich nicht mal im Ansatz was mich dort auf 508 Seiten erwarten wird. Die Geschichte beginnt langsam, fast schon leise. Als Leser lernen wir Manolis Lefteris und Vera Mändler kennen. Manolis ist ein Mann für ganz spezielle Aufträge, still, diskret erledigt er seinen inoffiziellen Job, denn offiziell ist er erfolgreicher Autohändler. Manolis wird von einem Trauma in seiner Kindheit verfolgt. Als er noch ein kleiner Junge war schildert ihm sein Vater seine Erfahrungen zur Nazizeit in Griechenland in lebhaften Bildern und sehr emotional. Manolis war zu klein um dies alles zu verarbeiten, den Anblick seines weinenden Vaters und die transportierten Bilder. Vera Mändler ist Journalistin und hat eine feste Stelle bei einem Frauenmagazin, allerdings ist es nicht das, was sie machen möchte. Artikel zu Falten, Schönheit und Wechseljahren sind ihr zu wenig Anspruch. In dieses berufliche Chaos aus Gedanken und Unzufriedenheit kommen nun auch private Veränderungen und Turbulenzen. Ihre Freund möchte plötzlich mit ihr zusammenziehen und ihre Tante Kathrin erleidet einen Schlaganfall. Vera kümmert sich mit allen Konsequenzen um Kathrin. Dass Manolis und Kathrin mehr verbindet als nur der Handlungsort München wird nun klar, denn Manolis hat den Auftrag Unterlagen zu beschaffen, die sich vermutlich in Tante Kathrins Besitz befinden. Kathrin Mändler hat in der Nazizeit in einer Klinik für psychisch Erkrankte unter dem Arzt Karl Landmann gearbeitet, dem sie völlig verfallen war. Zu der Zeit waren Menschen mit psychischen Erkrankungen Menschen der 2. Klasse und in einem weiteren Handlungsstrang erfährt der Leser mehr über diese dunkle Zeit, menschliche Abgründe und Greueltaten. Es geht um ein Euthanasie-Programm in dieser Heilanstalt unter Karl Landmann. Vera nimmt die Recherchen auf um der Vergangenheit von Kathrin und somit auch ihrer eigenen Familiengeschichte näher zu kommen und Geheimnisse zu lüften. Die Personen sind fiktiv, diese Heilanstalt gab es jedoch wirklich und so unfassbar es für uns ist, so real ist diese Vergangenheit aber auch. Orte und geschichtliche Fakten entsprechen der Realität, eine Mischung aus Fiktion und grauenhafter Realität. Sandbergs Roman hat mich sehr berührt, die Personen sind sehr gut beschrieben, der Schreibstil flüssig und leicht, das Thema aber hart und schwer. Eine Leseempfehlung vor allem für geschichtlich Interessierte der deutschen Geschichte, speziell der Verbrechen, die auch ausserhalb der KZ's. Sehr spannend, interessant und gut recherchiert. Dokumentationen über solche Behandlungen habe ich schon gesehen und Artikel darüber gelesen, aber in Romanform bislang nicht in den Händen gehalten und ich kann sagen, es lohnt sich. Es gibt Dinge, die einfach niemals vergessen werden dürfen....

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Ein ernstes Thema spannend verpackt!

Von: ricysreadingcorner

17.06.2018

Dieses Buch ist keine leichte Kost und dennoch spannend und mitreißend. Es regt zum Nachdenken und zur Selbstreflexion an: Wie würde ich in einer solchen Situation handeln? Das fragt man sich immer wieder. Doch dieses Thema, welches im ganzen Grauen, das das dritte Reich mit sich brachte und vor allem in der heutigen Diskussion, meist eher eine untergeordnete Rolle spielt, über welches viel zu selten gesprochen wird, ist hier in einem spannenden Roman verpackt, der es einem kaum möglich macht, ihn zwischendurch mal aus der Hand zu legen und mit der Frage nach Gerechtigkeit, nicht selten ein wütendes Gefühl im Bauch hinterlässt. Worum geht’s? Vera Mändler ist Journalistin, doch die Zeiten, in denen sie interessante Beiträge über politische Themen verfasst hat, sind lange vorbei. Seit einigen Jahren fristet sie ein eher unzufriedenes Dasein in der Redaktion einer Frauenzeitschrift, in der sie über die besten Diättipps und Modefragen für Frauen ab 50 philosophieren darf. Aber als Journalistin in der heutigen Zeit darf man nicht wählerisch sein, vor allem nicht, wenn einem der Posten der Chefredakteurin, der mit einem für die Branche sehr seltenen Maß an finanzieller Absicherung verbunden ist, angeboten wird. Damit würde sie ihren Traum vom investigativen Journalismus und den wirklich wichtigen Themen jedoch endgültig begraben. Die Entscheidung wird ihr erneut erschwert als sie durch Zufall erfährt, dass ihre Tante Kathrin, die für sie immer wie eine Mutter war und die nun nach einem Schlaganfall im Koma liegt, offenbar während des dritten Reichs als Krankenschwester in einer Heil- und Pflegeanstalt angestellt war, die im Zuge der Aufdeckung der Euthanasiemorde, bekannt wurde. Offenbar gibt es Beweise, die sich im Besitz ihrer Tante befinden. War sie womöglich involviert? Oder hat sie Widerstand geleistet? Manolis Lefteris ist ein Mann für besondere Aufträge. Als er den Auftrag erhält, Akten, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, aufzustöbern und an seinen Auftraggeber zu übergeben, hält er das zunächst für reine Routine. Doch je näher er den Akten kommt, desto mehr bekommt er das Gefühl, dass diese Akten von sehr viel größerer Bedeutung sein könnten als das, womit er es sonst zu tun hat. Vor allem berührt das Thema einen wunden Punkt in der Vergangenheit seiner eigenen Familie. Aber er ist ja ein Profi und kann seine eigenen Gefühle klar von der Arbeit trennen, oder? “Mit dieser Begründung müssten die Richter jeden fanatischen Attentäter laufen lassen. Sobald man nur verblendet genug war, durfte man ungestraft morden, massakrieren und Menschen abschlachten.” (S. 233) Meine Meinung Die Geschichte wird zunächst aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt. Da ist Vera, eine Journalistin, die bei einer Frauenzeitschrift arbeitet und befürchtet, nie wieder über wirklich interessante Themen schreiben zu können. Als sie die Wohnung ihrer Tante aufräumen möchte, die nach einem Schlaganfall im Koma liegt, stößt sie auf ein Bild, das ihre Tante in Krankenschwesternkleidung vor der Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg zeigt. Warum weiß aus der Familie niemand, dass sie dort gearbeitet hat und was hat ihr Cousin, der immer pleite ist, außer dem Sparbuch sonst noch in ihrer Wohnung gesucht, mit dem er etwas gegen jemanden in der Hand habe, wie eine Nachbarin in einem Gespräch zwischen ihm und ihrer Tante mitgehört haben will? Vera wird neugierig und schnell fündig…hat ihre Tante tatsächlich etwas mit den Morden an Kranken und behinderten Menschen während des Nationalsozialismus zu tun gehabt? Zeitgleich versucht Manolis Lefteris, der häufig besondere Aufträge für einen Anwalt übernimmt, an Akten zu gelangen, die einen Mandanten schwer belasten könnten. Er fragt nicht nach, worum es geht – das tut er nie. Doch je näher er den Beweisen kommt, desto mehr holen ihn seine eigenen Dämonen ein. Die Familie seines Vaters, einem Griechen, wurde während des zweiten Weltkriegs von deutschen Soldaten auf einem Rachefeldzug ermordet, was er als kleiner Junge mit ansehen musste. Diese Erinnerung hat er an seinen eigenen Sohn weitergegeben, bevor er selbst vollends daran zugrunde gegangen ist…Ein Trauma, das so Generationen überdauerte. Während Vera und Manolis sich einen Wettlauf um die Beweise liefern, werden immer wieder Erinnerungsfetzen von Kathrin eingeblendet, die die Zeit von 1944 bis 1945 in Winkelberg zeigen. Sie fühlte sich damals, als habe sie ihren Platz im Leben gefunden und dann zeigt auch noch der Arzt Karl Landmann ein besonderes Interesse an ihr. Sie fühlt sich automatisch zu ihm hingezogen. Doch irgendwann merkt sie, worin Landmanns Arbeit wirklich besteht… Kathrins Erinnerungen ergänzen für den Leser somit die Entdeckungen von Vera und Manolis immer wieder um das Quäntchen Wahrheit, das der Welt doch nach all der Zeit verborgen bleibt. Der Roman ist unglaublich mitreißend geschrieben, was durch die schnellen Perspektivwechsel noch verstärkt wird. Der Schreibstil ist klar und flüssig. Schon bei einem weniger brisanten Thema wäre alleine Manolis und Veras Wettlauf, an die Wahrheit zu kommen, Stoff für einen spannenden Thriller. Dieses Thema, welches einem immer wieder wütende Tränen in die Augen steigen lässt und die Frage aufwirft, wie so etwas geschehen konnte und noch viel mehr, warum nur so wenige jemals dafür zur Rechenschaft gezogen wurden, macht ihn dann auch noch philosophisch und politisch relevant. Die Frage der Gerechtigkeit steht durchgehend im Raum. Was ist Gerechtigkeit und wer legt diese fest, wer darf darüber urteilen. Für Manolis ist es ein wunder Punkt, der durch die Erinnerungen seines Vaters an ein Kriegsverbrechen, das nie gesühnt wurde, verursacht wurde und wodurch er sein Vertrauen in die Justiz verloren hat. Auch ein Grund dafür, dass er einen Job außerhalb der Regeln des Gesetzes ausführt. Kathrin musste feststellen, wie falsch Gerechtigkeit ausgelegt werden kann, wenn Macht missbraucht wird, als sie erfährt, welches Schicksal die Kinder und kranken Menschen, die eigentlich ihrem Schutz unterstellt sind, in Winkelberg widerfahren soll. Kinder die vor Lebensfreude und Liebe nur so sprühen, aber für die Gesellschaft nach Auslegung der Nationalsozialisten keinen Wert darstellen, weil sie z.B. niemals arbeiten werden können. Anders als der Klappentext zunächst vermuten lässt, spielt der mit Abstand größere Teil der Handlung in der heutigen Zeit, in der der Leser Manolis und Vera dabei verfolgt, wie sie versuchen den Geheimnissen von damals auf die Spur zu kommen. Dabei werden jedoch auch die Personen Vera und Manolis besonders beleuchtet: ihre Herkunft, ihre Grundsätze und Entscheidungen, ihre Lebensentwürfe. Dies spielt eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Roman und gibt ihren Charakteren Tiefe. Es gibt so viele Bücher, die die Verfolgung von Juden oder Widerständlern im Dritten Reich behandeln, doch, dass noch viel mehr Menschen Opfer dieses grauenhaften Systems wurden, bleibt häufig etwas im Hintergrund. Jeder, der nicht in das stolze deutsche Bild eines fleißigen und starken Bürgers passte, lebte in Gefahr. Darunter eben auch psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung (ja sogar solche, die erst durch ihren Kriegsdienst traumatisiert oder dauerhaft körperlich eingeschränkt wurden und somit eben keinen “Wert” mehr für das deutsche Reich darstellten), Sinthi und Roma sowie Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter und eben alle anderen, die nicht in die Ideologie der Nationalsozialisten passten oder sich auch einfach nur erdreisteten, anderer Meinung zu sein. Besonders grausam an den Euthanasie-Morden ist vor allem auch der Verrat an den Familien der Betroffenen. Sie haben ihre Angehörigen, ihre Kinder, ihre Ehefrauen und Ehemännern mit Hoffnung auf Heilung in die Obhut sogenannter Heilanstalten gegeben, von denen eine besondere neue Therapie versprochen wurde, um dann irgendwann die Nachricht zu erhalten, dass der Patient an einer Lungenentzündung gestorben sei. Massenhafte Morde, die oft nie richtig aufgeklärt, deren Täter zum Großteil nie zur Rechenschaft gezogen wurden und die große Löcher in Familien rissen, die teilweise bis heute nicht richtig geklärt geschweige denn vergessen sind. Gerade letzteres wird in diesem Roman besonders gut hervorgehoben, da es sich eben nicht, wie so oft um einen (rein) historischen Roman handelt. Es geht auch um das Hier und Jetzt. Die Ereignisse von damals haben Familien über Generationen bis heute verändert und es kann sie weiterhin verändern, wenn sich damit beschäftigt wird. Es ist eben nicht nur ein “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte, um jüngste sprachliche Auswüchse eines gewissen AfD-Politikers zu zitieren. Gerade solche Aussagen zeigen, dass es das nicht ist. Es ist ein Thema, dass uns weiterhin bewusst sein muss. Es geht nicht darum, heute die Verbrechen eines Landes rückwärtsgerichtet zu bedauern und mit dem durchaus berechtigten moralischen Zeigefinger auf die Verbrecher von damals zu zeigen. Was geschehen ist, ist geschehen und das ist schlimm genug. Es geht vor allem darum, daraus zu lernen und zu verhindern, dass es so oder so ähnlich nochmal passieren könnte. Und es ist schon fast traurig, dass man das Gefühl hat, das immer wieder so erklären zu müssen. Es ist wichtig, sich die Ereignisse von damals immer wieder in Erinnerung zu rufen. Das funktioniert durch Romane wie diese sehr viel besser, als durch Geschichtsbücher, da sie uns persönlich ansprechen, uns in die Rolle der Protagonisten schlüpfen lassen und uns somit zur Selbstreflexion zwingen. Der Roman zeigt außerdem, dass man trotz jeder guten Vorsätze auch einfach nur Mensch bleibt und in manchen Situationen jede Moralvorstellung von Gerechtigkeit vergessen kann. Ein Thema, das meiner Meinung nach in zwei Punkten ein wenig zu unkritisch beziehungsweise oberflächlich behandelt wurde. Da wäre zum einen Manolis’ Job und seine ganze Einstellung, die stark von Selbstjustiz geprägt ist. Dieses Thema wird allerdings nur in kurzen Dialogen mit seiner Schwester, die natürlich nichts von seinem eigentlichen Job weiß sowie in seinen Monologen thematisiert, die natürlich recht einseitig sind. Zudem hätte ich mir noch einen größeren Anteil von Kathrins Perspektive gewünscht, um ihr Verhalten und ihre Entscheidungen in der Vergangenheit besser nachvollziehen zu können. Diese kommt meiner Meinung nach, neben der Handlung in der heutigen Zeit, die wie eine Mischung aus Familiensaga, Krimi und Agententhriller daherkommt, etwas zu kurz und ihre ganze Geschichte ließ mich etwas unzufrieden zurück, was wahrscheinlich aber so gewollt ist und auch andererseits die Besonderheit dieses Buches ausmacht. Fazit Ein spannender Roman, der die Geschichten zweier Familien erzählt, die unweigerlich mit der dunklen deutschen Vergangenheit verwoben sind. Temporeich, mitreißend und dennoch ungemütlich und nachdenklich stimmend. Die Autorin greift ein geschichtsträchtiges und grausames Thema auf und macht daraus einen rasanten Krimi, ein Gedanke, der mir erst einmal etwas negativ aufgestoßen ist, doch eigentlich ist es genau das Richtige! Sie verpackt ein wichtiges Thema einfach und spannend und kann somit viele Menschen erreichen und interessieren – etwas, das ein Geschichtsbuch oft nicht schafft. Sie beschönigt nichts, die Protagonisten stecken oft genug in moralischen Zwickmühlen, was oftmals ein bedrückendes Gefühl in der Magengegend hinterlässt, aber eben die Wirklichkeit darstellt. Ein Buch das zum nachdenken anregt, aber an manchen Stellen für meinen Geschmack noch ein bisschen kritischer hätte sein können.

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Wow

Von: Harakiri

25.05.2018

Als Veras Tante Kathrin einen Schlaganfall hat und kurz darauf ihr Cousin ermordet aufgefunden wird findet sie einen Hinweis auf eine Akte, die ihre Tante versteckt hat. Die Journalistin in ihr erwacht und beginnt mit Nachforschungen. Sie stößt auf ein Naziverbrechen, das seine Tentakel bis in die jetzige Zeit wirft. Wow – was für ein Buch! Ich konnte es gar nicht mehr aus der Hand legen. Vor allem die Schilderungen in dem Sanatorium haben mir gut gefallen. Sie wirkten sehr authentisch und Kathrin merkte man ihre Zerrissenheit sehr gut an. Auch die Handlung fand ich gut aufgebaut und spannend dargestellt. Die Handlung spielt auf zwei Ebenen. Einmal in der Vergangenheit, in der wir die Geschichte um Kathrins Jugend zu Ende des Zweiten Weltkriegs erzählt bekommen. Diese Geschichte hat mich sehr berührt. Nicht oft wird dieser Teil unserer Vergangenheit thematisiert und vor allem der Teil mit den Kindern hat mir Gänsehaut beschert. Der andere, längere, Strang, spielt in München im Jahr 2013. Protagonist ist hier Manolis Lefteris, ein Mann für besondere Fälle. Er bekämpft Justizfälle auf seine besondere Art. Spannend wird es, als er auf Vera trifft. Er soll ihr nämlich die Akten der Tante entreißen. Doch hat er mit der Vergangenheit und der Justiz ja so seine eigene Meinung. Der Roman ist von der bekannten Schriftstellerin Inge Löhnig unter Pseudonym verfasst. Ganz Dühnfort-frei ist er aber auch nicht ;) Fazit: Ein 5 Sterne + Buch. Ich konnte es nicht zur Seite legen, habe es von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen.

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“Blut klebte an seinen Händen, an seiner Kleidung. Angst scharrte in seiner Brust wie ein in die Enge getriebenes Tier. Atemlos rannte er über den Hof, sah sich um. Wo konnte er sich verstecken?” (Buchbeginn) Der zweite Weltkrieg. Eine grausame Phase auf der geschichtlichen Zeitachse, die das Leben der Menschen bis heute prägt. Nicht nur die dunklen Schatten haften an den Fersen zahlreicher Gesichter, auch in den Köpfen laufen die Erinnerungen auf Hochtouren. Doch sind diese auch immer reflektierend? Kathrin Mändler war Zeuge dieser Zeit und liegt nach einem plötzlichen Schlaganfall im Krankenhaus. Ihre Nichte Vera ist schockiert und kümmert sich sofort um die privaten Angelegenheiten ihrer Tante. Dabei macht sie ungewollt Bekanntschaften mit jenen dunklen Schatten. Gleichzeitig wird Manolis Lefteris – eine Detektiv für explizite Fälle – ein Auftrag in die Hand gelegt, der auf den ersten Blick recht einfach erscheint. Akten aufspüren, sichern, Auftraggeber übergeben und als Dank feine Geldnoten bekommen. Nur dummerweise verschwindet sein Überwachungsobjekt, was ihn zum Ziel führen soll plötzlich. Also muss er selbst zur Tat schreiten und entdeckt Dinge, die in ihm ruhelose Erinnerungen ans Tageslicht zerren. Doch er darf sich davon nicht ablenken lassen. Der Job geht vor. “Irgendwo schlug der Wind einen Zweig gegen ein Fenster, und Maonlis hängte das Bild zurück an die Wand. Es war vorbei. Schon lange vorbei. Es spielte keine Rolle mehr.” (S.50) Im stetigen Wechsel bekommt man einen Einblick in die Welten von Vera und Manolis. Sofort ist klar, dass die beiden Stränge miteinander verknüpft sind. Es dauert allerdings einen kleinen Moment, bis diese Verbindung ausgesprochen wird. Schöner wird sie dadurch auf gar keinen Fall. Schließlich kommt eine Wahrheit heraus, die schon längst hätte aufgeklärt sein können. Aber die Zeit heilt doch alle Wunden? Nicht, wenn es um Mord geht. Euthanasie an Kindern, Männern und Frauen. Parallel zu den beiden aus der Gegenwart, darf man auch noch einen Blick in die Vergangenheit werfen. Tante Kathrin war damals hautnah dabei und ihre Sicht der Dinge, mit allen Ecken und Kanten der damaligen Zeit wird offen gelegt. Man stellt sich unweigerlich die Frage: Wie hätte ich gehandelt? Was hätte ich getan? Kann ich nachvollziehen, was Kathrin getan hat oder auch nicht? Und die Frage, mit der sich auch das Buch beschäftigt: Wie gehe ich damit Jahre später um? Kann ich mich jemandem anvertrauen oder sollte es wohl behütet in mir schlummern, bis zu meinem Tod? “Auch Sie haben sich an die Anordnungen zu halten. Mitleid ist hier ebenso fehl am Platz wie falsch verstandene Nächstenliebe. Der Tod ist für diese bedauernswerten Kreaturen eine Erlösung.” (S.281) Auf 500 Seiten taucht man recht tief in die Thematik ein. Wobei trotzdem nicht jede offene Frage geklärt wird. Manche schwebt noch unbeantwortet im Raum umher. Normal sehe ich gelassen darüber hinweg, aber bei der Steilvorlage im Prolog, kann ich das leider nicht. Genauso kann ich nicht darüber hinweg sehen, dass ich mit Vera und Manolis nicht so wirklich etwas anfangen konnte. Veras (für mich äußerst) belangloser Hintergrund interessierte mich sogar noch weniger. Lediglich die Phasen um Kathrin waren perfekt. Da war ich voll drin und saugte alles in mir auf. Das Kopfkino lief auf Hochtouren. Da diese Momente aber gerade einmal ein Drittel des Buches ausmachen, fällt der Gesamteindruck recht mager aus. Der Stil ist flüssig, man kommt rasch rein, wird mit zahlreichem Wissen gefüttert und verliert nie den Überblick über die Verknüpfungen untereinander. Der Dank der steckbriefartigen Vorstellung der Charaktere auch eigentlich nicht möglich ist. Ja, man darf hier gerne dezente Ironie raushören. Dennoch reichte das nicht aus, was ich recht schade finde, da das Buch eine wichtige Thematik angeht!

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Ein erschütternder Roman über das Thema Euthanasie während des NS-Regimes: DIE VERGESSENEN von Ellen Sandberg 🏚 —————————————- Kathrin Mändler beginnt 1944 in der Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg als Krankenschwester zu arbeiten. Dort verfällt sie schnell dem charismatischen Arzt und Anstaltsleiter Karl Landmann. Dass dieser als auch die Anstalt nicht das sind, was sie vorgeben zu sein, bemerkt Kathrin erst spät... 70 Jahre danach stoßen unabhängig voneinander ihre Nichte Vera und Manolis Lefteris, ein Mann, der für Geld scheinbar alles machen würde, auf Kathrins Vergangenheit und ein unglaubliches Verbrechen, das niemals an die Öffentlichkeit kommen sollte, wird aufgedeckt. Voller Spannung gibt Ellen Sandberg in ihrem Roman all jenen eine Stimme, die während des NS-Regimes im Stillen gelitten haben und deren Schicksal niemals in Vergessenheit geraten darf. Absolut lesenswert, auch wenn die Geschichte „drumherum“ teilweise sehr konstruiert wirkt.

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