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Rezensionen zu
Vladimir

Julia May Jonas

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Völlig anders als erwartet entwickelte sich die Geschichte unserer Erzählerin mit Vladimir.. tiefe Einsichten in eine ( zum Teil) gebrochene Seele einer Frau, die sich in der zweiten Hälfte ihres Lebens befindet. Schade, dass ihr das Älterwerden und die damit verbundenen Veränderungen des Körpers so zusetzen und an ihrem Selbstbewusstsein nagen… Schade, aber nachfühlbar.. Sehr spannend fand ich die Dynamik zwischen ihr und ihrem Ehemann. Wollen sie doch das ideale Paar sein, das ohne Eifersucht eine offene Ehe führt. Was zwischen den Zeilen fühlbar wird, hat mich berührt und verstört zugleich. Leider hat das Ende mit gar nicht gefallen, war das Buch doch bis dahin auf dem Weg ein kleines Highlight zu werden. Insgesamt ist die Stimmung im Buch düster und zynisch, was man mögen muss. Es entwickelt nach und nach einen Sog ohne zu reißerisch zu werden im Plot.

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„Vladimir“ ist der Debütroman von Julia May Jonas und meiner Meinung nach ist ihr damit ein absolutes Meisterwerk gelungen. Ihre Sprache hat mich von Anfang an gecatcht – absolut brillant. Ihr Schreibstil ist klug, poetisch und ein Hauch vulgär zugleich. Eine intensive und unterhaltsame Mischung, die mich sofort in ihren Bann gezogen hat. Aber zunächst zur Story. Die namenlose Protagonistin ist Literaturprofessorin an einem kleinen College. Sie ist Mutter, Autorin und Ende 50. Mit ihrem Ehemann John ist sie 30 Jahre verheiratet und führt eine offene Beziehung. John unterrichtet ebenfalls am College und hat ein Verfahren am Hals, da er mehrere Affären mit Studentinnen hatte. Dann erscheint Vladimir. Grandios fand ich die Thematisierung anderer Beziehungsformen als nur die Monogamie. Die Protagonistin ist klug, stark und emanzipiert. Sie unterstützt ihre queere Tochter, kritisiert die Rolle der Frau in der Gesellschaft und macht sich für FLINTA und PoC am College stark. Und trotzdem ist sie zerfressen von Selbstzweifeln, Ängsten und Scham. Sie möchte sich nicht mit dem Älterwerden abfinden und hat ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper. Als sie den 20 Jahre jüngeren Kollegen Vladimir begegnet entwickelt sie eine rasante Obsession. Ein bisschen sexy time meets Wahnsinn. Aber wer hier mit einem „Fifty Shades of Grey“ Plot rechnet liegt falsch, denn dieser Roman ist frei von Klischees. Auch das obskure Ende war nicht das, was ich erwartet habe. Und das macht diesem Roman umso besser. Das Lesen dieses Romans fühlte sich an wie ein Rausch und ich habe jede Seite genossen. Ich möchte bitte mehr von Julia May Jonas lesen. Von mir gibt’s eine große Empfehlung für diesen großartigen feministischen Roman!

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Genau für solche Fälle sind Buchempfehlungen aus der „Leserszene“ sooo wertvoll! Vladimir hat mich weder vom Titel noch vom Cover angesprochen (es gibt ein englisches Cover, dass mir viel mehr zusagt auf dem eine Frau ihren Kopf an der Wand lehnt, alles in rot) und daher war es erst einmal „raus“. Und dann häuften sich die guten Kommentare und die Leseempfehlungen und was soll ich sagen: Jetzt bin auch ich überzeugt. Es geht um eine Frau, sie bleibt namenlos, Literaturprofessorin an einem US-amerikanischen Collage an der Ostküste, klein aber fein. Ihre Studenschaft respektiert sie durch ihre guten Vorträge. Sie hat ein Ansehen und genießt ihr Leben und dazu gehört eben auch eine offene Beziehung, die sie mit ihrem Ehemann führt, der auch an dieser Collage unterrichtet. Sie leben WG-artig miteinander und sind unabhängig. Nun, bis zu dem Moment wo ihr Mann John eine Anklage und Suspendierung fürchten muss, da Ex-Studentinnen die Affären mit ihm hatten ein Verfahren einleiten. Das progressive Lebensmodell der beiden gerät ins Wanken und besonders ihre Unabhängigkeit, denn nun wird sie gebeten sich beurlauben zu lassen, die Tochter fordert eine Scheidung. Die Welt und der Blick auf sie verändert sich, weil er eine Anklage fürchtet. Und nun kommt auch noch dieser Vladimir Vladinski an das besagte Collage. Ein 20 Jahre jüngerer Romancier für den sie eine Schwäche entwickelt. Nicht nur eine Schwäche, sie hat eine Obsession. Das Ganze geht natürlich nicht Sang und klanglos zu Ende. Teilweise skurril, aber unterhaltsam alle Male. Ein Ende mit dem ich nicht gerechnet habe! Mir hat der Roman so außerordentlich gut gefallen, weil er gesellschaftspolitische Spielfelder aufmacht und zugleich das Innenleben einer einzelnen Person seziert. Julia May Jonas schreibt uns hier eine sehr kluge und emanzipierte Frau auf die Seiten. Übrigens auch hervorragend übersetzt aus dem Englischen von der guten Eva Bonné. Dies ist Julia May Jonas Debüt und ich war wirklich sehr angetan von ihren Formulierungen von ihrer Art des Schreibens. Fazit: Cover vergessen und einfach lesen!

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MEINUNG: Vladimir ist sicherlich momentan nicht der beliebteste Name, aber mich hat einfach das Cover angesprochen und die Art der Geschichte. Es klang einfach verheißungsvoll, weil ich hie eine Liebesgeschichte voller Geheimnisse und verbotener Obsessionen erwartet habe. Die namenlose Protagonistin ist 50 Jahre alt und Literaturprofessorin an einem kleineren College an der amerikanischen Ostküste. Ihr Mann, John, ist ebenfalls dort Professor. Sie haben eine erwachsene Tochter. Beide führen eine offene Beziehung. Es kommt zu einem Verfahren gegen John, der von einer Studentin angestrebt wird, mit der John eine Affäre hatte. Seine Suspendierung steht im Raum. Gleichzeitig gibt es einen jüngeren Juniorprofessor, Vladimir, für den die Protagonistin anfängt zu obsessiv schwärmen. Ich muss sagen, dass hier irgendwie sofort eine Art Lolita Geschichte gewittert habe, aber ganz so extrem ist es hier nicht. Beide Protagonisten sind erwachsen. Die Obsession für Vladimir konnte ich auch nicht so richtig nachvollziehen, denn für mein Empfinden kam sie sehr schnell und unerwartet, aber möglicherweise passiert so etwas genau so. Allerdings kann hier wirklich von einer Obsession sprechen, denn gegen Ende laufen ein paar Dinge aus dem Ruder. Das passiert allerdings erst im letzten Drittel. Offensichtlich fehlt Protagonistin auch die sexuelle Begierde, die sie für ihren Mann nicht mehr wirklich empfindet. Sie leben beide mehr oder weniger nebeneinander her. Sie haben getrennte Schlafzimmer. Jeder kann machen, was er möchte. Man fragt sich, warum sich beide nicht scheiden lassen, aber es liegt wohl an die üblichen wirtschaftlichen Dingen. Der Skandal, der sich um Johns Affären entwickelt, wird auch für die Protagonistin schwierig. Zunächst denkt sie, dass sie dort außen vor gelassen werden kann, denn in ihrer Beziehung ist alles abgesprochen. Das äußere Umfeld, besonders die jungen weiblichen Studentinnen reagieren darauf empfindlich, denn in dem sie sich raushält, wirkt es so als würde sie Johns Verhalten akzeptieren. Die Protagonistin sieht sich selbst als unabhängig, mit eigener Meinung und für eine freie Beziehung. Die Wertevorstellungen geraten ins Wanken mit den Anschuldigungen gegen John, der sich immerhin zu den Studentinnen auch in einem Verhältnis zu einer Schutzbefohlenen befindet, auch wenn die Studentinnen volljährig sind. Anfangs nimmt man auch an die Ehe der beiden lege komplett am Boden, aber sie wird im Laufe der Geschichte auch nochmal hinterfragt, ob es mit den beiden wirklich schon das Ende ist. FAZIT: Vladimir war am Ende nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es auch weniger ein durch und durch erotischer Roman, sondern vielmehr ein gesellschaftlicher Roman, der viele Themen beinhaltet, wie auch das Älter werden und es war für mich auch die Geschichte einer Ehe.

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Vladimir. Ich verstehe, warum dieses Buch so gemischte Kritiken bekommt, aber ich habe absolut kein Problem damit, hier großzügig und ohne groß darüber nachzudenken 5 Sterne zu vergeben. Denn mein Gott, war das eine end-gei-le Lektüre. Zunächst einmal sei gesagt: Ich habe die ersten zwei Drittel dieses Romans nur wegen des atemberaubenden Schreibstils überstanden. Wie wir inzwischen alle wissen, habe ich eine Schwäche für akademische Settings, und das Leben zweier illustrer Literaturprofessoren an der Ostküste der USA ist einfach was, worüber ich auch ohne Handlung stundenlang lesen könnte. Genau so fühlte sich die erste Hälfte von "Vladimir" an: Ein Spaziergang durch das ereignisreiche und kultivierte Leben einer Frau in den Fünfzigern, die sich nicht mit dem Älterwerden abgefunden hat, seit Jahren Literatur unterrichtet und sich nicht sicher ist, ob ihre vergangenen Entscheidungen sie nicht doch glücklich gemacht haben. Und dann: Boom! Ein unzuverlässiger Erzähler! Liebe, Lust und Intrigen! Eine ungesunde Faszination für Körper und Intellekt! Eine Hütte im Wald, ein unfertiges Manuskript, Zigaretten und Lammhaxen! Eine vielschichtige Geschichte, die mich absolut gefesselt hat - und mich an einem Tag durch die letzten 130 Seiten gezerrt hat. Alles, was ich mir von der perfekten dark academia wünsche. Verdammt, Julia May Jonas! Das hast du einfach so rausgehauen! Und ihr, Leute! Lest das! Aber seid gewarnt: Wenn ihr ein ungesundes Verhältnis zum Essen und zum Körperbild habt oder hattet, solltet ihr euch diesem Buch vorsichtig nähern. Trigger sind vorhanden.

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Sagen wir mal, wir tauschten die Rollen. Wir tauschten eben nur die Rollen und nicht die eingepflanzten Muster und Strukturen, welche Denken und Tun in weiten Teilen bestimmen. Um‘s mal konkreter zu machen: Die Umkehrung der Besetzung von Martin Walsers Brandung macht aus der Protagonistin nicht einfach eine weibliche Helmut Halm. Oder noch konkreter: Die 58jährige Professorin bei Julia May Jonas ist heiß auf den 40jährigen Juniorprofessor "Vladimir". (Hat jemand eigentlich schon erwähnt, dass das ein doofer Zeitpunkt für diesen Namen auf dem Cover ist?) Ihr Mann hat gerade ein lästiges Verfahren wegen seiner zahlreichen Affären mit jungen Studentinnen am Hals, was sich für die Ehe als weitaus schwieriger erweist als die beiderseitig zugestandene Untreue. Die Besessenheit der Professorin vom sexy Toy Boy wird jedoch von Reflektionen des eigenen Alters gebrochen. Durch die nervtötende Überzogenheit der Selbstzweifel schafft die Autorin ein Statement für die Abgef*theit von (eben leider vorrangig weiblich konnotierten) Selbstzweifeln. Parallel gelingt es der Protagonistin, sich die sexuelle Obsession für ihre schriftstellerische Arbeit nutzbar zu machen und damit Kontrolle zurückzugewinnen. Auch wenn ich den Roman insgesamt etwas langatmig fand, mochte ich besonders, dass die dargestellten Männer (im Grunde alles bedürftige und manipulierbare Schwächlinge - egal wie hübsch der Waschbrettbauch auch ist) den Bechdel-Test kaum bestehen dürften. Feministische Rache ist süß!

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9 Stunden, 8 Minuten, 8 CDs. Ungekürzte Lesung. Wenn ich mich schwer aufs Lesen konzentrieren kann, klappt meistens das Hörbuchhören. Ausschlaggebend mich auf dieses Hörbuch einzulassen war tatsächlich, dass dieser Roman von der grandiosen Schauspielerin Martina Gedeck interpretiert wird. Von der Autorin Julia May Jonas hatte ich noch nie gehört. Die US-amerikanische Autorin, die Dramatikerin ist und in New York lebt, schrieb mit „Vladimir“ ihren ersten Roman. Es geht um eine namenlose Literaturprofessorin Ende 50, deren Ehemann John, ebenfalls Professor, an seiner Universität in Verruf gerät bezüglich seiner sexuellen Beziehungen mit seinen Studentinnen. Er wird während der Untersuchung der Geschehnisse von der Uni suspendiert. Sie selbst versucht sich zu verorten, sie weiß nicht genau, wie sie sich dazu verhalten soll. Da die beiden schon immer eine offene Beziehung führten, will sie John nicht verurteilen. Denn auch sie hatte mehrere Affären im Laufe ihrer Beziehung. Gleichzeitig kommen von außen Stimmen, die ihr raten, sich zu trennen, die ihr passives Verhalten dazu nicht akzeptieren wollen, wie etwa einige ihrer Studentinnen und auch ihre Tochter. Gerade hier und immer wieder geht es um das Thema Älter werden und darum, dass traurigerweise ältere Frauen oft gar nicht mehr gesehen werden und häufig von der gesellschaftlichen Bühne verschwinden. Im Fokus steht zeitweise auch die Tochter des Paars, Sidney. Sie ist Anwältin und ihre Freundin hat sich gerade von ihr getrennt hat. Sidney wohnt eine Zeit lang wieder zu Hause, meidet aber ihren Vater und wundert sich ihrer Mutter gegenüber, dass sie sich nicht von John trennen will. Auch am Campus spitzt sich die Lage einige Wochen vor der gerichtlichen Anhörung Johns zu. Kollegen führen ein Gespräch mit der Protagonistin, in dem sie ihr nahelegen, sie möge ihre Tätigkeit niederlegen. Sie sprechen für Studentinnen, die sich durch sie getriggert fühlen. „Mit Trumps Präsidentschaft war die Illusion einer Welt, die man ihnen vom Fahrersitz des Mini-Vans aus gepredigt hatte, die Illusion alles würde sich stetig verbessern, und der lange Bogen der Geschichte sich in Richtung Gerechtigkeit krümmen auf den Kopf gestellt oder so ähnlich. Ich schüttelte meine hochtrabenden Gedanken ab, ich verstand die jungen Leute nicht und hatte keine Ahnung von ihrer Lebenswirklichkeit. Dass ich sie mochte, rechnete ich mir selbst hoch an. Auf Dinnerpartys verteidigte ich sie: „Die Kids sind in Ordnung“. Ich mochte ihren Aktionismus, ihre strenge Moral, ihr Gebrüll.“ Außerdem geht es um die Begegnung mit Vladimir, dem attraktiven 40jährigen Junior-Professor ihres Fachbereichs. Beide haben Romane geschrieben und über diese Gemeinsamkeit kommen sie sich näher. Während die Heldin durch die kurzen Begegnungen, durch sein Buch und nicht zuletzt durch ihre Fantasien und Tagträume angeregt wird, endlich wieder zu schreiben, hat Vladimir mit seiner Arbeit, mit seiner labilen Frau und der kleinen Tochter zu tun. Nach langer Zeit findet sich ein Termin für ein längeres Gespräch – die Heldin hat mehr im Sinn – ausgerechnet genau an dem Tag, an dem auch die Anhörung zu den Vorwürfen gegen John stattfindet. Ab hier läuft manches aus dem Ruder und wirkt geradezu grotesk. Im Ferienhaus, in das sie Vlad einlädt, entwickeln sich die Geschehnisse nämlich ganz anders als geplant und führen zu einem Ende, dass dann doch etwas unglaubwürdig, zumindest aber übertrieben anmutet. Mir war die Sprache des Romans zeitweise zu pathetisch, manchmal bis ans Kitschige grenzend, gerade auch, wenn es um Sex geht. Hier passt die Freizügigkeit der Erzählweise nicht immer stimmig zum sprachlichen Gerüst. Glücklicherweise konnte Martina Gedeck das Manko durch ihre Stimme und glaubwürdige Interpretation dann wieder ausgleichen, zumal es auch um eine Frau ihres Alters geht, was sie womöglich auch bewegt hat, dem Roman ihre Stimme zu verleihen. Außerdem kommen mir dann manche Aussagen, wie die folgenden, schon merkwürdig vor, wenn sich das Buch um Feminismus und Gleichberechtigung dreht. Es geht sehr viel um Äußerlichkeiten: wie man als Frau auf einen Mann wirkt, was man alles tun muss, um einem Mann zu gefallen, wie man einen Mann anhimmelt. Das hört sich für mich, gerade wenn es ins Klischeehafte rutscht, schon eher wenig nach weiblichem Selbstbewusstsein oder Unabhängigkeit an … „Ich schenkte Vladimir doppelt so viel (Wein) ein wie mir, was er, weil er ein Mann war nicht bemerkte.“ oder „Der Kellner trat an unseren Tisch und erkundigte sich nach unseren Dessertwünschen. Vlad wollte einen Cappuccino. Aber auf die Gefahr hin zu dominant zu erscheinen bestellte ich die Rechnung.“ Gut gefallen hat mir der Bezug zur und die Gespräche über Literatur, im Text teilweise mit konkreten Autoren und Buchtiteln verknüpft und die Handlung, die auch die Verhältnisse und Gepflogenheiten an einer modernen amerikanischen Universität spiegeln, der Campus als Schauplatz. Und die Veränderungen, die sich im Laufe der Jahre etablieren. Wir erleben, wie die frühere Feministinnen-Generation der 60/70er Jahre der neuen jungen, vollkommen anders denkenden gegenübersteht. In diesem Zusammenhang denkt die Heldin auch über die Kunst, den Kunstbegriff nach: „Die Wahrheit lag außerhalb der moralischen Grenzen. Die Kunst wollte zu ihren eigenen Bedingungen angenommen oder abgelehnt werden. Die Kunst war nicht der Künstler. Waren das einfach nur Plattitüden, die ich unhinterfragt übernommen hatte? In letzter Zeit beschlichen mich immer öfter Zweifel. Sollten wir nur die Welt abbilden, in der wir leben wollten? Sollten wir gewissen Geschichten den Stempel „schädlich“ aufdrücken und das Publikum vor ihnen schützen? Trauten wir den Lesern nicht mehr zu, eine Geschichte zu lesen, ohne ihre Botschaft zu verinnerlichen?" Dass ich über 9 Stunden am Ball blieb bei diesem Hörbuch, spricht für seine Qualität.

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Der Auftakt: die 58-jährige, namenlose und emanzipierte Protagonistin steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Seit fast 30 Jahren arbeitet sie als Literaturprofessorin an einem kleinen College an der amerikanischen Ostküste. Ihr Ehemann John, mit dem sie eine offene und sexuell freizügige Beziehung führt, ist bis auf weiteres vom Dienst suspendiert worden und wartet auf sein Gerichtsverfahren. Die Anklage: sexuelles Fehlverhalten gegenüber sehr viel jüngeren Studentinnen. Seitens College-Leitung und einigen Vertreterinnen der weiblichen Studierendenschaft werden Forderungen nach Beurlaubung laut und Tochter Sidney plädiert ebenfalls vehement für eine endgültige Trennung von John. In dieser angespannten Atmosphäre betritt der Auserkorene Vladimir Vladinski die literarische Plot-Bühne: Sohn russischer Einwanderer, Vater einer kleinen Tochter, experimenteller Romanautor und neuerdings Juniorprofessor am besagten College. Er wird zum menschlichen Objekt der sexuellen Begierde der Protagonistin, und gleichsam ihre beste Projektionsfläche. Ein gemeinsamer Ausflug in eine abgelegene Hütte, in der die Literaturprofessorin den jüngeren Kollegen verführen will, endet schließlich mit desaströsen Folgen - für alle Beteiligte. Nun, wo fange ich an?! Ich habe ja ein großes Herz für unangepasste Figuren, die nicht der Norm entsprechen, etwas schräg und provokativ sind. Für Romane, die zahlreiche sprachliche Spitzen enthalten, subtile Gesellschaftskritik üben und zum Perspektivenwechsel anregen. Für Romane, die erobert werden und nicht auf Anhieb gefallen wollen. Es ist demnach vielleicht auch nicht verwunderlich, dass mich der Debütroman von Julia May Jonas in der außergewöhnlichen Figurenzeichnung stark an jene Charaktere in den bislang von mir gelesenen Büchern von Ottessa Moshfegh erinnert - eine Autorin, die sicherlich spaltet, ich aber persönlich großartig finde. Und somit hat „Vladimir“ mich einerseits ziemlich abgeholt, weil in dieser Hinsicht all jene Aspekte erfüllt werden, die mein Leseherz höher schlagen lassen. Bis es zum erhöhten Pulsschlag kam, hat es allerdings leider etwas gedauert. Die erste Hälfte des Romans ist aus meiner Sicht dominiert von einer teils unerträglichen Ich-Bezogenheit der Protagonistin sowie einer absoluten Fokussierung auf Äußerlichkeiten und körperliche Merkmale. Dies mag ein wichtiges erzählerisches Motiv der Selbstreflexion und ein Abbild der inneren Zerrissenheit sein, führte bei mir aber fast zum vorzeitigen Abbruch. Weil man damit bei mir alles triggert, was man in diesem Kontext nur triggern kann. Gut gefallen hat mir wiederum, dass „Vladimir“ nicht nur zentrale Themen wie u.a. Machtmissbrauch, Fragen zu Moral und Schuld, Sexualität, Gender(politik), weiblicher Selbstermächtigung und (non-soziokonformen) Beziehungskonstrukten in den Fokus nimmt, sondern sich der Roman auch als eine pure Hommage an das Schreiben sowie die Literatur im Allgemeinen liest. Meinerseits: eine Leseempfehlung, aber mit kleineren Einschränkungen. Übersetzt von Eva Bonné.

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