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Rezensionen zu
Die Glücklichen

Kristine Bilkau

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Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Eine Frage, die das menschliche Denken beschäftigt, seit es dazu in der Lage ist, sich nach etwas zu sehnen. Viele kluge Menschen haben sich seit Jahrtausenden der Beantwortung dieser Frage gewidmet und doch bleibt es stets etwas höchst Subjektives: Die Gesundheit? Die Liebe vielleicht? Oder ist es doch Macht, Erfolg und Geld? Manchmal gar Bescheidenheit? Kristine Bilkaus Debütroman Die Glücklichen stellt diese Fragen ganz explizit für Menschen, die scheinbar alles haben und daher so viel verlieren können. Erschienen ist der Roman im März 2015 im Luchterhand Literaturverlag und wurde seitdem nicht zu unrecht viel besprochen und hoch gelobt. [Bild vom Cover] Darum geht’s: Mit der Geburt ihres Sohnes wächst nicht nur ihr Glück, sondern auch der Druck und die Verunsicherung. Für Isabell erweist sich die Rückkehr in ihren Beruf als schwierig: Während des Solos zittern ihre Hände, nicht nur am ersten Abend, sondern auch an den folgenden. Gleichzeitig verdichten sich in Georgs Redaktion die Gerüchte, der Verlag würde die Zeitung verkaufen. Währenddessen wird ihr Haus saniert. Im Treppenhaus hängt jetzt ein Kronleuchter, im Briefkasten liegt eine Mieterhöhung. Für die jungen Eltern beginnt damit ein leiser sozialer Abstieg. Isabell und Georg beginnen mit einem Mal zu zweifeln, zu rechnen, zu vergleichen. Jeder für sich. Je schwieriger ihr Alltag wird, desto mehr verunsichert sie, was sie sehen. Die gesicherten Existenzen mit ihren geschmackvollen Wandfarben sagen jetzt: Wir können, ihr nicht. Was vertraut und selbstverständlich schien – die Cafés, Läden, der Park, die Spielplätze mit jungen Eltern –, wirkt auf einmal unzugänglich. Gegenseitig treiben sich Isabell und Georg immer mehr in die Enge, bis das Gefüge ihrer kleinen Familie zu zerbrechen droht. Mit Die Glücklichen hat Kristine Bilkau ein einfühlsames Portrait einer jungen, erfolgsverwöhnten Kleinfamilie aus der Mittelschicht gezeichnet, die feststellen muss, in einer Zeit zu leben, in der Sicherheiten Wunschvorstellungen geworden sind und die einstigen Jugendträume schneller platzen können als einem lieb ist. Nicht nur sie selbst, auch die Erwartungen an ihre Zukunft müssen hinterfragt und neu definiert werden. Bilkau offenbart dabei ein Gespür für Details, die kleinen Pausen zwischen den Atemzügen, in denen sich die ganze Tragik, aber auch Hoffnung zeigt. Die Glücklichen ist ein ergreifender Roman, der den Leser wie einen Voyeur am Leben, Scheitern und Wiederaufrappeln teilhaben lässt. Der Roman ist wie ein Fenster in das Leben von Isabell, einer jungen Mutter und Cellistin, und Georg, der gerade am eigenen Leib erleben muss, wie die augenscheinliche Sicherheit vor seinen Augen unaufhaltsam zerbröckelt. Isabell und Georg sind Menschen, die klare Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten und fest damit rechneten, dass alles genau so laufen musste. Menschen, die das Leben mit kindlicher Naivität umarmt haben, ohne die Möglichkeit des Scheiterns zu bedenken. In ihrer kleinen mittelständischen Welt sind sie umgeben von aufgehübschten Fassaden, strahlend weißen Lächeln, Feinkost und Erfolgsgeschichten – Das Leben der Anderen ist ein Maßstab, an dem es sich zu messen gilt. Unbewusst beginnt Georg zu rebellieren, einen Weg einzuschlagen, den Isabell nicht mitgehen kann. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten beginnt die Entfremdung, einzig zusammengehalten durch den kleinen Sohn Matti. Zwischen all der provokanten Schweigsamkeit, den unausgesprochenen Vorwürfen, den Verdrängungsversuchen, steht er für die Zukunft, die Hoffnung – auf ein neues Leben, ein glücklicheres vielleicht. Aller Spontaneität beraubt, müssen sich Isabell und Georg ihrer Lage stellen. Wie geht es weiter? Kann man die Wohnung halten? Welchen Platz hat man in der Arbeitswelt? Was braucht man, um glücklich zu sein? Fast könnte man denken, Kristine Bilkau hätte das alles selbst erlebt, so klar, so ergreifend ist das gezeichnete Bild. Dieses Milieu, diese Menschen, Geschichten muss sie gut kennen – sie ist eine gute Beobachterin. Der intuitive Schreibstil changiert zwischen den Emotionen hin und her. Mal ist er von Hoffnung durchtränkt, dann vor Verzweiflung spröde oder rasend vor Wut. Dabei wahrt sie aber stets den Ton, überzeichnet nichts. Niemals bricht man aus der Lebenswelt der Protagonisten aus. Was wie der Tiefpunkt einer Existenz anmutet, steht doch stellvertretend für die Ängste und Wünsche einer ganzen Generation. Die Last der Vergangenheit und Zukunft liegt auf ihren Schultern und doch ist man beständig auf der Suche nach seinem Platz, einem Druck ausgesetzt, den man nicht mindern kann, auf der Suche nach einer Scholle, auf der man sich kurz ausruhen kann. Die Glücklichen ist ein Gesellschaftsroman wie er nur selten gelingt: authentisch, berührend, erweckend, aber nicht richtend. Er ist eine Momentaufnahme im rasanten 21. Jahrhundert. Nehmt Die Glücklichen von Kristine Bilkau zur Hand und gönnt euch eine Auszeit. Lasst die Zartheit des melodischen Klangs der Worte auf euch wirken. Einmal berichtet Isabell von ihrem ersten Vorspiel, wie sie hinter einem dicken schwarzen Vorhang saß und spielen sollte. Sie wollte Leichtigkeit, vollkommene Zartheit in ihr Spiel legen, doch der Vorhang verschluckte den Klang. Ich wünsche mir, dass der dicke Mantel der Schnelllebigkeit Kristine Bilkaus Debüt nicht zum Verhängnis wird, dass die LeserInnen sich Zeit nehmen für ihr Buch. Fazit: Die Glücklichen ist ein Gesellschaftsroman, der sich mit klarem Blick der Frage nach dem Glück aus einer anderen Perspektive widmet. Ein hinreißendes Buch. Ein Buch, das gelesen werden sollte.

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Die Glücklichen haben sich eingerichtet, ihr Leben so gestaltet, wie sie es sich immer vorgestellt haben. Sie leben in renoviertem Altbau mitten in Hamburg, führen eine harmonische Beziehung, in welcher sie ihr Kind gemeinsam grossziehen und gehen ihren Traumberufen nach. Die Berufsmusikerin Isabell arbeitet als Cellistin im Orchestergraben einer Musical-Produktion, Georg, der Journalist, als Redakteur im Gesellschaftsbund einer grossen Tageszeitung. Doch das Glück ist konstruiert und zerbrelich, als wäre es ein Kartenhaus, das gnadenlos in sich zusammenfällt, sobald man nur eine einzige Karte herauszieht. Als wären Dinkelkekse, Vegieaufstrich und Apfelschorle die tragenden Wände eines ausgeglichenen Lebens. Der Druck auf Isabell ist übergross. Da sind die anderen Mütter, die sich nachmittags makellos und unverwüstbar in den Hamburger Cafés präsentieren. Da sind das Alter und die Einsamtkeit der schrulligen Schwiegermutter, die Isabell bei jedem Besuch daran erinnert, wie sie auf gar keinen Fall werden will. Da sind die Grabenkämpfe im Orchestergraben, in welchem Isabell Abend für Abend arbeitet. Und da ist der Arm der Cellistin, der ihr einfach nicht mehr gehorchen will. Auch Georg wird vom Schicksal nicht verschont. Seine Zeitung soll verkauft werden. Wochenlang halten sich die Gerüchte, bis sie von den Vorgesetzten bestätigt werden. Ein halbes Jahr später stehen beide ohne Job da. Isabells Zittern wird zu einer Angst vor Auftritten, die sie bald nicht mehr kontrollieren kann. Die wenigen Gelegenheiten, die sich zum Vorspielen ergeben, lässt sie verstreichen, indem sie sich sich auf dem Klo einschliesst. Über ihr Zittern reden kann sie nicht, nur über Schmerzen in der Schulter klagt sie. Mehr und mehr zieht sie sich in sich selbst zurück, kreiert eine heile Welt, in der sie sich gelegentlich Dinge gönnt, die eigentlich viel zu teuer für ihre momentane Situation sind. Georg dagegen wird von Existenzängsten förmlich überrollt. Er spart an allen Ecken und Enden, überlegt sich, auszusteigen und auf Selbstversorgung umzustellen oder in eine Kleinstadt zu ziehen, wo es noch günstige Wohnungen gibt. Immer mehr entfremdet sich das Paar. Dabei haben beide die selbe Sehnsucht nach dem Recht darauf, Fehler zu machen. “Sie muss annehmen, ich hätte meine Träume verraten, denkt Isabell, hätte mich nicht genug angestrengt; aber es muss doch auch in Ordnung sein, etwas nicht geschafft zu haben.” Voller Scham vergleichen sich die Beiden mit ihren Freunden und Bekannten, scannen diese nach Gesten des Mitleids und der Überheblichkeit ab. Auch hier werden die Gräben tiefer, denn Georgs Kollegen, welchen zusammen mit ihm gekündigt worden ist, finden einer nach dem andern neue Stellen. Aus Angst, als Letzter ohne Arbeit dazustehen, zieht sich Georg vor den Anderen zurück. Erst der Tod von Georgs Mutter lässt das Paar wieder zusammenrücken und ihre Sprachlosigkeit überwinden. Den Entscheid, das Erbe anzutreten, fällen sie gemeinsam. Es ist ein Erbe, das ihnen eine zusätzliche finanzielle Last aufbürdet. Denn nun muss Georg auch noch einen Kredit fertig abbezahlen, den sein Vater vor Jahren aufgenommen hat, um seinem Sohn eine akademische Laufbahn zu ermöglichen und somit eine gesicherte Zukunft zu bieten. “Eigentlich hätte ich längst in der Lage sein sollen, uns hier etwas anständiges zu kaufen.” Die Glücklichen spiegelt eine Generation wieder, die in der Gewissheit aufgewachsen ist, dass alles möglich sei. Nie mussten die heutigen 30-Jährigen unter Hunger leiden und ihre Eltern haben ihnen vorgelebt, wie man mit Fleiss und unermüdlichem Einsatz zu Wohlstand kommt und diesen vermehrt. Arbeistlosigkeit und Scheitern sind in ihrer Erziehung nicht vorgekommen. Aufwärts sollte es gehen. Doch bereits Georgs Vater musste am Ende seiner beruflichen Laufbahn feststellen, dass seine treue Kundschaft nach 50 Jahren wegbleibt, wenn ein Discounter die Ware viel billiger anbietet. Sein Schicksal sollte kein Einzelfall bleiben, Wirtschaft und Kunden wurden je länger je kühler und berechnender. “Das muss Ihnen auch klar gewesen sein”, sagt der Berater der Chefredaktion, als er die Mitarbeiter über die neuen Besitzverhältnisse und bevorstehende Veränderungen informiert und gibt damit den Ball der Verantwortung an die Belegschaft ab.

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Ein Buch über das Leben. Ein Buch über Alltagsängste, Erfolgsdruck, Unsicherheit, Hoffnung, Wünsche, Träume, Partnerschaft und Familie. Eine Geschichte, die ganz ohne großes Tam Tam oder reißerische Story daherkommt. Kann ein solches Buch ein Erfolg werden? Finden sich hierfür überhaupt Leser? Ich sage ganz eindeutig "Ja!" Kristine Bilkau hat mit ihrem Debütroman einen mutigen Schritt in die richtige Richtung gewagt. Sie hat ein Werk geschaffen, das auf seine eigene Art einen jeden von uns anspricht. Es ist eine Geschichte von nebenan mit leisen Zwischentönen, in der wir uns auf die eine oder andere Art selbst wiederfinden werden. Der Leser muss genau hinhören und wird mit einem Feuerwerk an Erkenntnissen dafür belohnt. Gab es nicht auch in unserem Leben Momente, in denen unsere Gedanken denen von Isabell und Georg ähnelten? Es ist eine sehr intensive Geschichte, die mich nicht mehr loslassen wollte und die beiden wurden fast so etwas wie gute Freunde. Isabell und Georg sind zwei starke Protagonisten auf der Suche zum eigenen Selbst und auch zueinander. Beide gewinnen im Laufe der Geschichte an Stärke und zeigen, dass die Flucht in eine Scheinwelt oder das Verdrängen von Problemen nicht dauerhaft funktioniert. Nur zusammen sind sie stark genug und das bedeutet auch, Schwächen gegenüber dem Partner und der Umwelt zugeben zu können. Kristine Bilkau möchte aufzeigen, dass wir wieder mehr miteinander sprechen, einander vertrauen müssen. Was bedeutet es heutzutage eine Familie zu sein? Wie verändert sich die eigene kleine Welt, wenn Kinder hinzukommen? Welche Veränderung macht unser Gefühlsleben durch und können wir die Erwartungen der anderen erfüllen? Müssen wir das überhaupt? Kristine Bilkau hat im Interview geäußert, dass man nicht automatisch Mutter ist, weil man ein Kind zur Welt gebracht hat, sondern, dass Muttersein auch eine Art Lernprozess bedeutet. Isabell ist noch immer dabei eine Mutter zu werden. Dabei muss sie aber lernen sich selbst und ihren Gefühlen zu vertrauen. Die Autorin hat ihr Buch mit viel Feingefühl für oftmals als nebensächlich angesehene Details, die aber eine große Bedeutung im Leben haben können, geschrieben. Über die Hintergründe zur Entstehung dieses Buches und ihre Gedanken zur Geschichte, hat Kristine Bilkau Arndt Strocher von Astrolibrium und mir ein interessantes Interview auf der Leipziger Buchmesse gegeben. Hier könnt ihr es euch gern einmal anhören Literatur Radio Bayern Einen tollen Artikel zum Buch findet ihr hier Astrolibrium Fazit: Ein grandioses Romandebüt. Ich freue mich auf mehr aus der Feder dieser Autorin.

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Darum geht’s: Georg und Isabell leben in einer Altbauwohnung in der Großstadt. Ihr Sohn Matti ist noch klein; Isabell kehrt gerade in ihren Beruf als Cellistin zurück. Doch ihre Bogenhand zittert. Bei Georg sieht es beruflich auch nicht rosig aus: Der Tageszeitung, bei der er arbeitet, geht es schlecht. Isabell und Georg werden arbeitslos. Getrieben von Erwartungen an sich selbst, an einander und an das Leben beginnen die beiden, sich aufzureiben. Gefällt’s? Grundsätzlich ja. Eine Handlung, die sich langsam entspinnt, sich nicht aufdrängt. Zwei Figuren, die ich als Leserin nach und nach kennenlernen kann; die mir nicht unbedingt sympathisch, die aber schlüssig sind. Zwei Menschen, die alles haben, die sich zu ihrem Glück nur selbst im Weg stehen. Kristine Bilkau neigt zu Bandwurmsätzen. Das Gute: Die Sprache fließt dahin; sie spiegelt damit gut das Leben der beiden Protagonisten wider, die getrieben sind, im Strom schwimmen und erst mit der Zeit versuchen, Einfluss zu nehmen. Die Worte gleiten von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel; es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Nachteil: Manchmal nervt’s. Die Stimmung ist alles in allem recht trübsinnig – was nicht negativ ist; schließlich geht es um die Schwierigkeiten des Alltags. Es empfiehlt sich dennoch, das Buch zu lesen, wenn man guter Dinge ist. Und sonst? Er ist Redakteur, sie ist Musikerin, gemeinsam wohnen sie in einer Altbauwohnung – das ist alles klischeehaft berlinesk. Es macht die Geschichte nicht zwingend schlechter; es hätte dem Buch nur gut getan, gesamtdeutsch-provinzieller zu sein. Das gilt übrigens für etliche Bücher, in denen es um Lebenseinstellungen und Befindlichkeiten geht: Sie sind oft sehr aus dem Autoren- und Künstlermilieu heraus gedacht. Ich möchte mal ein Buch lesen, in dem der Mann Handwerker und die Frau Pförtnerin ist; in dem das Paar in einem miefigen Mehrfamilienhaus in Arnsberg oder Rostock oder Schweinfurt wohnt. Hätten sie dann dieselben Gedanken und Probleme wie Isabell und Georg?

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Isabell, Cellistin und Georg Journalist sind seit kurzem eine Familie. Sie können sich eine Altbauwohnung im Stadtzentrum leisten, ebenso wie Brötchen aus der Manufaktur, Hahnenfuß vom Floristikdesigner, Bio-Lebensmittel, ökologisch unbedenkliche Kleidung und Urlaub. Die Wende zum Abstieg kommt unerwartet. Isabell hat sich ihren Platz im Musikerhimmel hart erarbeitet. War fleißig, stets gut vorbereitet, vorsichtig, immer darauf bedacht keinen Fehler zu begehen. Vielleicht ist es die Verantwortung für die kleine Familie, die ihr plötzlich die Leichtigkeit beim Cellospiel nimmt. Zurück im Orchestergraben, nach einer kurzen Babypause, passiert das was nicht passieren darf: die Bogenhand versagt beim Solo. Die Hand zittert. Mit der Geburt von Matti, ihrem Sohn, ist etwas Unkontrollierbares in ihr Leben getreten. Isabell erkennt sich als Mutter nicht wieder. Zu den kurzen Nächten, einem Alltag der noch nicht Gewohnheit ist, kommt Baustellenlärm hinzu. Die Sanierungsarbeiten am Haus legen zusätzlich die Nerven blank. Sie fühlt sich fremd im eigenen Leben, überfordert. Isabells Versuch, das Problem durch ignorieren zum Verschwinden zu bringen, misslingt. Gelassenheit lässt sich nicht erzwingen. Das Problem bleibt: die Bogenhand zittert. Zunehmend empfindet sie den Orchestergraben als Käfig in dem sie vom Publikum von oben herab angestarrt, begutachtet wird. Reibereien im Orchestergraben, die erste Geige spöttelt, der Himmel wird zum Graben. Isabell hält dem Stress nicht stand, Sehnsucht nach Langsamkeit und Ruhe. Sie lässt sich krankschreiben. Mit Georg redet sie nicht ."Meine Bogenhand zittert", ein Satz der für sie unaussprechbar ist. Als auch ihr Mann Georg seinen Job im Verlag verliert, wird die Verunsicherung zur existienziellen Angst. Auch Georg fühlt sich "beschädigt", "disqualifiziert", nicht mehr vollwertig. Trotz alledem ist er lösungsorientiert, kann den "Abstieg" denken, sich in seinen Erwartungen neu ausrichten, den Gürtel etwas enger schnallen. Isabell will, das alles bleibt wie es war. Sie haben doch immer alles richtig gemacht. Sie waren effizient, haben keine Fehler gemacht, das Glück steht ihnen zu. Sie will keine Preise vergleichen, will sich nicht fragen ob sie sich die Lauflernschuhe für Matti überhaupt leisten kann. Sie will keinen Strom sparen, aufs Land ziehen, auf Urlaub verzichten. Sie fühlt sich bevormundet von Georg, ist genervt von der billigeren Marmelade die er kauft-"da können wir gleich Zucker aufs Brot schmieren", seinem Sparzwang. So will sie nicht leben. Die Liebe erstickt im Gefühl, es nicht geschafft zu haben.Warum gelingt anderen scheinbar mühelos ein Leben, an dem sie jetzt scheitern? Dass sie ihren Beruf vermutlich auch ohne zitternde Bogenhand verloren hätte, tröstet sie nicht. Die Streicher wurden digitalisiert. Es hat mich sehr bewegt dieses Buch. Es ist eine Geschichte in der sich viele wiederfinden können. Es stellt sich der Frage wie man ein Leben im Unsicheren lebt. Was braucht es um sich in dieser schnellen, getakteten Zeit ein lebenswertes Leben zu erhalten. Welche Werte zählen, auf was kommt es eigentlich an im Leben. Kristine Bilkaus Roman"Die Glücklichen" ist ein Roman den man vielen Lesern wünscht. Es ist eine Geschichte der heutigen Zeit die den Finger auf die Wunde der Schnelllebigkeit und Effizienz in jedem Bereich legt. Ich geriet beim lesen in einen Sog, vermochte das Buch kaum aus der Hand zu legen. Eine sehr differenzierte Beobachtung , die trotz spröden Ton eher Melancholie als Depressivität vermittelt, nicht ohne Hoffnungsschimmer zuzulassen. Ich glaube das ist ein Buch, das gelesen werden muss. 9783630874531_Leseprobe[1] Kristine Bilkau ist Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Für ihren Debütroman "die Glücklichen" erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur. Das Buch ist im Frühjahr 2015 im Luchterhand Literaturverlag München (Verlagsgruppe RandomHouse) erschienen.

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"Die Glücklichen" handelt von der allgegenwärtigen Brüchigkeit der Existenz, es geht um Verlustängste in der Arbeitswelt, in der Liebe, in anderen persönlichen Beziehungen, und das ist in einer wunderbaren, klaren, poetischen Sprache ausgedrückt. Eine eigentlich unspektakuläre Alltagsgeschichte eines jungen Paares mit Kind, das gegen Arbeitslosigkeit und Abstieg kämpft und irgendwann auch miteinander - und in der sich sicherlich viele wiederfinden. Und es bringt auch noch das Kunststück fertig, weder larmoyant zu sein noch mit einem unglaubwürdigen Ende zu punkten. Sehr zeitgemäß, sehr zeitgenössisch.

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