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Rezensionen zu
Winter

Ali Smith

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Über die fehlende Handlung in WINTER wurde schon in zahlreichen Rezensionen geschrieben. Es stimmt, dass wohl nicht wirklich viel passiert, an diesem Heiligabend und ersten Weihnachtstag. Mich hat das aber überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil. Ich bin den Protagonisten gerne gefolgt und habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen. Der dreißigjährige Art besucht zu Weihnachten seine Mutter Sophia und engagiert dafür die um einiges jüngere Lux. Lux soll sich als Arts Exfreundin Charlotte ausgeben, da Art seiner Mutter gegenüber nicht zugeben möchte, dass Charlotte sich von ihm getrennt hat. Als Art und Lux in Sophias großem Haus auf dem Land ankommen, finden sie eine verwirrte und abgemagerte Frau vor. Da sie kaum ansprechbar ist, rufen sie Sophias Schwester Iris an und bitten sie zu kommen, obwohl die beiden Schwestern seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr hatten. Der Großteil des Romans besteht aus Rückblenden und Erinnerungen aus Sophias, Iris' und Arts Leben. Vor allem die Beziehung der beiden Schwestern (die eine, finanziell erfolgreich und konservativ, die andere, rebellisch und links) mit Rückblicken in die 1970er und 80er Jahre fand ich berührend. Insgesamt also ein sprachlich hervorragendes Familienporträt, das neuere britische Geschichte und Politik mit persönlichen Erinnerungen verknüpft. Bin gespannt auf weitere Bücher der Autorin!

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Winter

Von: thursdaynext

12.12.2020

Ali Smith hat mich mit ihrem Roman „Es hätte mir genauso“ abgeholt, bestens unterhalten und stilistisch frech und spritzig überzeugt. Sie blieb mir im Kopf als Autorin von der ich unbedingt mehr lesen möchte. Unorthodox wie meist begann ich ihren Jahreszeiten Zyklus mit „Winter“, werde mich dann passend durch die übrigen Zeiten lesen. An Weihnachten trifft sich die Familie, es wird laut, mehrere Generationen versammeln sich um das gute Essen, rege Gespräche das Zusammenhocken wecken alte Animositäten. Soweit dürfte dieses Szenario etlichen LeserInnen bekannt sein, doch in Winter hat Ali Smith noch einiges mehr verpackt. Gesellschaftliches, politisches, Familienhistorie, aktuelles Zeitgeschehen, Kunst, Architektur, Landschaften und Liebe. Selbstverständlich alles komplett kitschbefreit. Geschliffen und leichtfüßig erzählt sie die komplexe Geschichte ihrer seltsamen Gestalten, die einem ans Herz wachsen gerade wegen ihrer zahlreichen Unzulänglichkeiten. In herrllichen Sätzen und mit amüsantem Unterton puzzelt sich das Geschehen der Protagonisten an diesem Weihnachtsfest zusammen, niemals mühsam, immer mit Vorfreude erfährt die Leserschaft von diversen kleinen Verletzungen, Begebenheiten und Denkweisen und Smith fügt alles gekonnt und sprachlich erfrischend zu einem winterlichen Gesamtbild. Die Hippieschwester und die Businessfrau der Sohn und Nefffe sowie seine „Freundin“ sind typisch smithsche Gestalten, sich deren Charme zu entziehen ist unmöglich. Sprunghaft und fluffig, mit einer subtilen Prise poetischer Magie schildert Smith nebenbei das aktuelle Zeitgeschehen, wertfrei und doch mit Untertönen. „Winter“ liest sich im Nu weg, hinterlässt ein angenehmes Gefühl, wenn der Blick danach auf das Buch im Regal fällt. Ein diffuses Erspüren von Winterruhe, Versöhnlichkeit und den Blick auf das Leben anderer Menschen.Davon möchte man gerne mehr. Für mich ist Ali Smith, die ich aufgrund ihres Stils für wesentlich jünger als sie tatsächlich ist gehalten habe, mittlerweile eine der ganz großen englischsprachigen Autorinnen.

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>>Wir haben alle eine Psychose wegen irgendetwas,... .Wir haben alle unsere Träume.<< „Winter“ von Ali Smith ist sicher keine klassische Weihnachtsgeschichte, oder gar ein Buch, welches wohlige Gefühle weckt. Vielmehr ist es wie schon in „Herbst“ eine Geschichte, deren Sinn sich erst nach und nach durch das Zusammensetzen der einzelnen Fragmente ergibt. Letztlich erzählt „Winter“ von einer Familie und doch wieder von jedem selbst und greift wie auch schon zuvor in „Herbst“ einige aktuelle Thematiken auf, hier wird ein besonderes Licht auf den Medienwahnsinn geworfen und zeigt in vielerlei Hinsicht, wie abhängig wir sind und wie wenig wir die wichtigen Dinge des Lebens zu schätzen wissen. Erst wenn es zu spät ist begreifen wir, was wirklich Priorität haben sollte, doch ist dann schon alles verloren? >>Mitten im Sommer ist es Winter. … Art in Nature<< Mich konnte auch dieses Buch wieder sehr in seinen Bann ziehen und Ali Smith konnte mich einmal mehr mit ihrer speziellen Art der Erzählung gedanklich fordern und fesseln!

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Bei den Büchern von Ali Smith muss man auf allerhand gefasst sein. Sicher ist, dass es keine gewöhnliche Lektüre wird, so auch bei ihrem jüngsten Werk, dem zweiten Teil ihres Jahreszeitenquartetts. Schon bei der Inhaltsangabe tue ich mich schwer, weil es keine stringente Handlung gibt, sondern vielmehr ein Ineinanderfließen von Momentaufnahmen. Der Roman beginnt mit einem düsteren Szenario, in dem fast alles tot ist: die Romantik, die Poesie, die Kultur, die Demokratie ... Im Mittelpunkt des Geschehens steht Sophia, die in einem alten Haus in Cornwall lebt und Dinge sieht, die andere nicht sehen, zum Beispiel einen schwebenden Kopf, der sie durch das Haus begleitet. Sie hat über Weihnachten ihren Sohn Arthur und dessen Freundin Charlotte eingeladen. Da Arthur sich von seiner Freundin getrennt hat, bringt er stattdessen eine Studentin mit, die er an einer Bushaltestelle aufgegabelt hat und sich als Charlotte ausgeben soll. Als dann noch Sophies Schwester Iris dazu stößt, hängt der Haussegen völlig schief. Iris war schon immer das Gegenteil von Sophie: eine Rebellin und Weltverbesserin. Weihnachtliche Stimmung kommt kaum auf, doch die Zänkeleien und die Art und Weise, wie jeder auf seine Sicht der Welt beharrt, hat doch viel Ähnlichkeit damit, wie das „Fest der Familie“ häufig abläuft. Allzu zartbesaitet darf man nicht sein: Sophias gehässige Kommentare gepaart mit teils schockierenden Bildern brachten mich ziemlich aus der Fassung. Umso überraschender sind dann die zarten Momente der Versöhnung, die hin und wieder aufblitzen. Ali Smith präsentiert uns, wie zu erwarten war, keine klassische Familiengeschichte, sondern eine experimentelle, literarische Spielerei mit Erzählperspektiven, Zeitebenen, Worten, Wahrheit und Lüge, in der sowohl aktuelle politische Themen als auch literarische Größen wie Dickens und Shakespeare ihren Platz finden.

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Weihnachtslektüre besonderer Art

Von: Ingeborg Rosen aus Berlin

17.11.2020

Wie bei einem guten Musiker, der ab dem ersten Ton sein Können, seine Qualität offengelegt, da hilft kein Simulieren oder Vortäuschen - so verhält es sich bei einem guten Buch: ab der ersten Seite setzt der Sog ein in diesen wunderbaren, zutiefst menschlichen Roman. Menschlich insofern, als er tatsächlich - sicher nicht alle, aber doch - ziemlich viele menschliche Züge aufzeigt und ausleuchtet. Ich muss an dieser Stelle ja nicht den Inhalt referieren, den kennen Sie. Fasziniert war ich von den Schilderungen, wie die von den aktuellen Zuständen betroffene / angegriffene / genervte Personen agieren, bzw. reagieren, und mit welcher Treffsicherheit, verbunden mit ihrem grossen Können, mit Sprache umzugehen und Zusammenhänge herzustellen Ali Smith das bewerkstelligt. Ein großes Lob gebührt in diesem Zusammenhang natürlich der Übersetzung von Silvia Morawetz. Mein Englisch ist nicht so gut, als dass ich dem Roman im Original auch nur annähernd gerecht werden könnte, aber die Splitter, die ich verstanden habe, fand ich großartig ins Deutsche übertragen. Ein Licht, eine Aufhellung, in diesem „Spielfeld“ ist, im wahrsten Sinne des Wortes, Lux, die unaufgeregt dazu beiträgt, dass sowohl die beiden Schwestern als auch Mutter und Sohn wieder miteinander reden. Ihr ist es zu danken, dass das Weihnachtsfest letztendlich ein gutes Ende nimmt und der Leser das Buch schließen kann, ohne sich Sorgen um das Leben des Personals machen zu müssen. Der Frühling kann kommen...

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Sophia Cleves ist in ihrem Haus in Cornwall und sieht einen körperlosen Kopf, der in der Luft schwebt. Sie war Unternehmerin, ist mittlerweile im Ruhestand und fühlt sich einsam. Ihr Sohn Art kommt über Weihnachten zu Besuch. Weil seine Freundin Charlotte weg ist, engagiert er Lux, ein Mädchen, das Charlotte spielen soll. Und auch Iris, Aktivistin und Rebellin der Familie, kommt, obwohl sie mit ihrer Schwester Sophia Jahrzehnte nicht gesprochen hat. Diese vier Menschen verbringen die Weihnachtstage zusammen in Sophias Haus, was aufgrund ihrer unterschiedlichen Standpunkte nicht immer harmonisch verläuft und sie läuten den Winter ein, der einen lehren kann, wie man harte Zeiten übersteht. Man merkt schnell, dass der Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, nicht immer im Vordergrund steht. Ali Smith kritisiert politische Führung, zerrt Politiker_innen ins Groteske, schafft sprachliche Kunstwerke. Anfangs muss man die Handlung fast suchen, später wird sie dann greifbarer, man erkennt die Richtung, in die es gehen soll. Die Figuren sind ein wenig schrullig, immer wieder kommen Elemente, die man nicht sofort einordnen kann und über die man nachdenken muss. Ich bekam beim Lesen das Gefühl, unzählige Ansatzpunkte politischer und kultureller Art zu finden (u.a. Shakespeare, König Artus, Dickens, politischer Aktivismus, die Künstlerin Barbara Hepworth, Vogelbeobachtungen, Kunst und Politik, Kunst und Natur, Mythen, Geistergeschichten) die die Rezeption des Werks mitunter ein bisschen verwirrend machten, was aber von Vorteil ist, wenn man sich intensiver damit auseinandersetzen möchte. Man wird in diesem Buch viele Deutungsmöglichkeiten finden, gleichzeitig wie schon in "Herbst" sprachlich Herausragendes und eine ganz spezielle, besondere, kunstvolle, mitunter auch etwas merkwürdige Leseerfahrung machen.

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Ali Smith ist eine Wortmagierin und mit diesem zweiten Band ihres Jahreszeitenzyklus hat sie uns wieder ein unvergleichliches und berührendes Meisterwerk gezaubert. Durch die Seiten des Buches wabern tagespolitische Themen wie Brexit, Weltpolitik, Fremdenfeindlichkeit und Klimawandel wie kalter Winternebel, auf den sich kostbare und amüsante Anekdoten, Zitate und Verweise auf Kunst, Film und Literatur wie zarte Strahlen einer pastellenen Wintersonne legen, die durch die Wolken brechen und unsere triste Winterwelt erstrahlen lassen. Die Zerrissenheit der Menschen zwischen Macht und Ohnmacht, Arm und Reich, Kunst und Kommerz, Künstlichkeit und Natur zeigt sie in der Geschichte einer zerrütteten Familie, die hier an den Weihnachtstagen aufeinandertrifft. Arthur nennt sich „Art“ und ist ein selbstverliebter Macho. Er arbeitet in der Medienbranche als Copyrightwart und schreibt nebenher kitschige Naturbetrachtungen unter Auslassung von Artensterben und Gletscherschmelze, eine Scheinheiligkeit, an der seine Beziehung zu der kritisch-klugen Charlotte gescheitert ist. Und es ist ihm nicht mal peinlich, dass er ein junges Mädchen an einer Bushaltestelle ansprechen und ihre Begleitung erkaufen muss, damit sie sich als Charlotte ausgibt, wenn er über Weihnachten seine Mutter Sophia besucht. Diese hat mit Sehstörungen zu kämpfen und mit kafkaesker Bankbürokratie. Sie lebt allein in einer maroden Villa in Cornwall und erinnert sich ihrer Kindheit und Jugend mit ihrer Schwester Irene. Mit dieser hat sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesprochen und sie ist NOT AMUSED, als Arthur sie an Weihnachten einlädt. Dieses schwesterliche Zusammentreffen mündet in gegenseitigen Sticheleien und Streitgesprächen zwischen der gescheiterten Geschäftsfrau Sophie und der unermüdlichen Weltverbesserin Irene. Lux, die junge bezahlte Begleitung erweist sich als Vermittlerin, als Licht im Dunkeln, obgleich, wie sie augenzwinkernd anmerkt, ihre kroatischstämmigen Eltern sie eigentlich nach der Fenstermarke Velux benannt haben sollen. Dieser zweite Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett ist die ideale Lektüre für alle, die Weihnachtskitsch hassen und trotzdem eine Prise Hoffnung vertragen. Es handelt sich nicht um „...ein Werk, in dem zu Sophias fein ziselierter dur-sinfonischer Bescheidenheit und erzählerischer Schicklichkeit in der Geschichte, deren Teil sie ist, noch genau die richtige Prise unaufdringlicher Lebensklugheit und das Prestige der alternden Frau hinzukommen, sodass es eine besinnliche und würdevolle Geschichte wird, Gott sei Dank konventionell gebaut, die Art von hochwertiger Literatur, in der langsam über eine Landschaft treibender Schnee eine mildtätige Wirkung entfaltet...“ Nein, dieses Buch kommt weniger poetisch und introvertiert als sein Vorgänger daher. Es gibt keine weiße Weihnacht sondern matschige Schuhe, kein „Oh du Fröhliche“ sondern Zank und Zynismus, dazu lustvoll schwarzen Humor und bergeweise Ironie. Wir bekommen eine kühn geschriebene, verschachtelte und teilweise äußerst skurrile Weihnachtsgeschichte zu lesen, in der ein fliegender Kopf und ein fiktives Shakespearedrama ebenso ihren Platz finden wie Charlie Chaplin und eine Hoffnungsbotschaft ausgerechnet von Dante. Wie im Walzertakt oder in griechischen Hexametern tanzt Ali Smith mal schwermütig, mal leichtfüßig durch diese Erzählung, die auf vielschichtige und originelle Art erst anprangert und dann nach Versöhnung sucht und nach Gemeinsamkeiten, die alle Menschen verbinden, jenseits von Herkunft, politischen oder religiösen Vorstellungen. Am Ende stimmen sogar die noch immer zerstrittenen Schwestern ein zweistimmiges Lied an, denn es sind letztendlich die menschliche Kultur, die gemeinsamen Geschichten und die Musik, die uns verbinden und die Hoffnung zulassen, dass es immer wieder Frühling wird.

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Nach dem gelungenen Roman „Herbst“, dem ersten Band aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett, hatte ich mich schon sehr auf „Winter“ gefreut. Wieder schreibt die britische Autorin über unsere Welt, die sich in rasender Geschwindigkeit zu wandeln scheint, über die Veränderungen, mit denen wir nicht immer mithalten können und die deshalb bedrohlich wirken können. Und dabei schreibt sie immer und vor allem über Familie, Freundschaft und Liebe. „Winter“ spielt zum Großteil an Weihnachten, doch es ist kein Heile-Welt-Fest, das gefeiert wird. Arthur, meist Art genannt, besucht über die Feiertage seine Mutter Sophia, die allein in einem großen Haus lebt. Eigentlich wollte er seine Freundin Charlotte mitbringen, doch sie hat ihn kürzlich verlassen, und so engagiert er kurzerhand eine junge Frau namens Lux, ihn stattdessen zu begleiten. Bei Sophia angekommen, stellen sie fest, dass es ihr nicht gut geht, dass sie verwirrt ist. Sophia sieht seltsame Dinge. Sie isst nicht. Lux begegnet sie zunächst einmal mit einer Feindseligkeit, von der diese sich aber nicht abschrecken lässt. Lux und Art kontaktieren Sophias Schwester Iris und bitten sie um Hilfe. Die Schwestern hatten seit mehreren Jahrzehnten keinen Kontakt. Iris ist so etwas wie eine ewige Rebellin, engagiert sich für das Gute und kämpft für eine in ihren Augen bessere Welt. Gerade engagiert sie sich in der Flüchtlingshilfe. Sie verachtet Sophia dafür, dass sie ihr privilegiertes Leben als gegeben hinnimmt, doch auch die Liebe zwischen den beiden ist spürbar. Es ist ein schwieriges Verhältnis. Wie man es von Ali Smith gewohnt ist, so zeichnet sich auch „Winter“ dadurch aus, dass die Autorin sich um Leserwartungen nicht schert und immer wieder Leerstellen lässt, die sich teils später noch füllen, teils nicht. In Rückblenden lesen wir von anderen Weihnachtstagen, erfahren von Arts Kindheit und seinem Vater, von dem er so gut wie nichts weiß, aber auch von Sophias und Iris’ Eltern. So fügt sich langsam ein Bild dieser Familie zusammen, wobei alles ein bisschen in der Schwebe bleibt. Auch Lux ist ein geheimnisvoller Charakter, eine junge selbstbewusste Frau, die spontan handelt, die anpackt und sagt, was sie denkt. Die Arts Lüge, sie sei seine Freundin Charlotte, auf ihre Weise mitspielt. Art betreibt einen Blog mit Naturthemen, der den den doppeldeutigen Namen „Art in Nature“ trägt, doch liegt er brach, wohl auch, weil die echte Charlotte von seinem Twitteraccount aus merkwürdige Botschaften in Arts Namen verbreitet. Statt sich zu wehren oder Charlotte zu konfrontieren, schaltet er sein Handy aus, um nichts mehr davon mitzubekommen, wie seine Community auf seine vermeintlichen Tweets reagiert. Und da ist ganz schön was los. Hier zeigen sich die wichtigsten Themen des Romans: Da ist unsere vom Internet bestimmte Welt, eine Welt, in der alles quasi in Echtzeit abrufbar ist, in der man wie durchsichtig wird, sich gedrängt fühlt, mitzumachen. Smiths Figuren hadern auf verschiedene Arten mit dieser Welt, verschließen sich oder gehen teils gerade auf Konfrontation, flüchten sich in Traumwelten, sehen Dinge, die nicht da sind. Fragen nach der eigenen Identität sind auf jeder Seite dieses wunderbaren Romans spürbar, nicht nur wo mit ihr gespielt wird, wie in Lux’ Fall. Alle Figuren suchen auf jeweils eigene Art einen Halt in der Welt und bei denen, die ihnen am nächsten stehen oder von denen man es erwarten würde. „Winter“ ist ein wohldosierter Roman, einer, bei dem kein Wort zu viel ist, voller Andeutungen und Auslassungen und enorm gut konstruiert, ohne dass sich diese Konstruktion bei der Lektüre jemals unangenehm aufdrängen würde. Smith verhandelt große Fragen, und sie tut das so spielerisch wie ernst. Ein hochmelanchischer Roman, der zu einer mit Bedeutung aufgeladenen Zeit im Jahr spielt. Ein so berührendes wie unterhaltsames Lesevergnügen und sicher eines meiner Lieblingsbücher im Jahr 2020.

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