Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Haarmann

Dirk Kurbjuweit

(15)
(35)
(19)
(3)
(0)
€ 12,00 [D] inkl. MwSt. | € 12,40 [A] | CHF 17,50* (* empf. VK-Preis)

An der Leine

Von: wal.li

20.03.2020

In den 1920er Jahren verschwinden in Hannover junge Männer. Kommissar Robert Lahnstein kommt aus Bochum nach Hannover, um die Ermittlungen zu übernehmen. Sein Kollege Müller ist nicht sehr erfreut. Er steht politisch auf einem anderen Standpunkt als der Demokrat Lahnstein. Die Untersuchung gestaltet sich schwierig. Immer wieder werden junge Männer von ihren Eltern als vermisst gemeldet. Kommissar Lahnstein ist von seinen Erlebnissen im ersten Weltkrieg gezeichnet. Als Flieger hat er seiner Meinung nach nicht genug Abschüsse erzielt, was ihn dazu verleitet hat, in Erzählungen zu übertreiben. Außerdem werden seine Nächte von den Gedanken an seine Familie beherrscht. Im groben bekannt dürfte die Geschichte des Serienmörders Fritz Haarmann einem größeren Publikum seit dem Film „Der Totmacher“ sein. Dennoch ist das vorliegende Buch eine interessante Art, sich die Geschichte dieses sehr gestörten Täters in Erinnerung zu rufen. Lahnstein und sein Kollege Müller, der fast wie ein Gegenspieler wirkt, die politische Grundstimmung in den 1920ern, die auch einen Einfluss auf die Ermittlungen hat, das Milieu, in dem die Verbrechen angesiedelt sind. Etliche Spuren, selbst Informationen über die Vermissten scheinen nirgendwo hin zu führen. Und der Leiter der Ermittlungen hat mitunter genug mit seinen eigenen Problemen zu tun. Dennoch berührt ihn das Schicksal der verschwundenen Jungen und er gibt sein Bestes, um den Täter zu finden. Mit einer gelungenen Mischung aus Fiktion und Fakten vermag der Autor ein authentisches Bild über Leben und Stimmung in den 1920ern zu zeichnen. Logischerweise nutzt er dabei Quellen, die sich aus den originalen Aufzeichnungen speisen. Dennoch schafft es Dirk Kurbjuweit dem Thema einen eigenen Ton zu geben. Sein in Teilen unsicherer Ermittler, der jedoch mit aller Hartnäckigkeit ermittelt. Das politische Gefüge, das ahnen lässt, wie schwer die Welt nach dem ersten Weltkrieg mitgenommen ist. Und auch Lahnsteins Stellung in seiner eigenen Behörde. Man meint eine düstere Bühne zu betreten, in der es kaum eine Lösung des Falles geben kann. Allzu lange gibt es kaum belastbare Hinweise. Mit seiner ganz eigenen Stimmung eröffnet der Roman einen neuen Blickwinkel auf einen bekannten Fall, auf einen Täter, der in seiner Grausamkeit wohl nie verstanden werden kann.

Lesen Sie weiter

Erwartungen nicht erfüllt

Von: maybe

19.03.2020

Ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut, das Thema hätte einiges hergegeben! Auf Grund des doch gewöhnungsbedürftigen Schreibstil fand ich nicht in den Lesefluss. Es war anstrengend und mühevoll zu lesen. Ich musste Sätze ständig wiederholt lesen, um zwischen Nichtigkeiten und komischen Satzgebilden den Sinn zu erfassen! Dadurch kam keine richtige Spannung auf und auch eine Beziehung zum Ermittler konnte ich so nicht richtig aufbauen! Leider kein schönes Leseerlebnis, trotz des eigentlich spannenden Themas!

Lesen Sie weiter

Der Fall des Serienmörders Fritz Haarmann war mir vor Beginn des Buches im Großen und Ganzen bekannt. Allein deshalb ging ich mit gemischten Gefühlen an den Roman heran, da sich mir natürlich die Frage gestellt hat: Wie soll diese Geschichte spannend und unterhaltsam werden, wo doch von vornherein klar ist, was passieren wird und wie es enden wird? Meine Zweifel blieben glücklicherweise unbegründet! Viele verschiedene Aspekte haben dazu beigetragen, dass mich dieses Buch mehr und mehr begeistern konnte. Der Schreibstil und die Zeichensetzung sind sehr besonders und gewöhnungsbedürftig. Beispielsweise wurden in Dialogen keine Gänsefüßchen gesetzt. Deshalb tat ich mir zunächst schwer in einen Lesefluss zu kommen. Nach zwei Kapiteln fiel es mir dann aber zunehmend leichter meinen Platz im Buch zu finden. Sehr gut gefallen hat mir die Vielfältigkeit der Perspektiven verschiedener Personen und verschiedener Zeitpunkte, die immer wieder spannend und schlüssig zu einem Großen Ganzen zusammengeführt wurden. Neben dem Fall Haarmann gab es so viele inhaltliche Themen die mich begeistern konnten. Die politische Situation der Weimarer Republik wurde sinnvoll und interessant in die Handlung eingewoben, was für mich besonders interessant war, da ich über die 20er zuvor nicht viel wusste. Was mich aber am meisten begeistert hat: Die verschiedenen Denkweisen innerhalb der Gesellschaft wurden authentisch beschrieben. Oftmals haben mich solche Textpassagen zum Nachdenken angeregt. Ein treffendes Beispiel ist die Relativierung von Todesfällen im Krieg zu allgemein gegenwärtigeren Todesursachen wie Krebs. Insgesamt wirken alle Handlungsstränge sehr realitätsgetreu und gut recherchiert. Ich habe sehr viel gelernt! Ich kann mir kaum vorstellen wie viel Arbeit in dieses Buch gesteckt wurde. Der Roman ist keine seichte Lektüre die man locker mal eben liest. Aber ich kann jedem der Freude daran hat sich weiterzubilden und sich zum Nachdenken anregen zu lassen ohne ein langweiliges Sachbuch zu lesen, nur empfehlen. Ein tolles Buch das mich positiv überrascht hat. Daher 4 von möglichen 5 Sternen.

Lesen Sie weiter

Die Hauptrolle im Buch „Haarmann“ von Dirk Kurbjuweit spielt Kommissar Robert Lahnstein, der im Hannover der 1920er Jahre einem mysteriösen Kriminalfall nachgehen muss. Es verschwinden immer wieder Jungen, die von ihren verzweifelten Eltern als vermisst gemeldet werden. Zunächst hat Kommissar Lahnstein kaum Anhaltspunkte wohin die Jungen verschwunden sein könnten und wer hinter ihrem Verschwinden steckt. Seine Ermittlungen werden erschwert durch Manipulationen aus den eigenen Reihen und die Machtspiele verschiedener politischer Gruppierungen nach dem ersten Weltkrieg. Eines Tages jedoch erhält er entscheidende Hinweise, die seine Ermittlungen weiterführen. „Haarmann“ ist ein besonderes Buch. Der Autor schafft mit seinem sehr gewöhnungsbedürftigen, Schreibstil eine sehr dichte und teilweise beklemmende Atmosphäre. Er verwendet viele kurze Sätze, was zu Beginn den Lesefluss leicht erschwert. Außerdem verwendet er keine Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede, sodass es zum Teil schwer fällt zu unterscheiden welche Person gerade redet. An diese Eigenarten habe ich mich beim Lesen jedoch gewöhnt und habe bemerkt, dass gerade dieser Schreibstil dazu führt, dass die Nachkriegswelt in Hannover und die politische Zerrissenheit des Landes real und für den Leser nachvollziehbar wird. Die Passagen mit Rückblenden in das eigene Leben des Kommissar Lahnsteins habe ich teilweise als etwas zäh empfunden. Hier wäre an der ein oder anderen Stelle weniger mehr gewesen. Ganz kann jedoch nicht darauf verzichtet werden, weil die Geschichten aus dem Leben des Kommissars wichtig sind um ihn als Person und auch seine Handlungen zu verstehen. Für mich war dies ein außergewöhnliches Buch, welches bei mir ein bisschen Zeit brauchte, um mich letztendlich doch zu faszinieren. Es handelt sich nicht um eine reine (wahre) Kriminalgeschichte, sondern vor Allem auch um ein Zeitbild. Somit ist dieses Buch für Leser geeignet, die nicht nur an einem reinen Krimi interessiert sind, sondern auch an der Geschichte der 1920er Jahre in Deutschland.

Lesen Sie weiter

Der Totmacher

Von: Ele

18.03.2020

Haarmann, Historischer Kriminalroman von Dirk Kurbjuweit, 320 Seiten, erschienen im Penguin-Verlag. Ein interessantes Gesellschaftsporträt der frühen Weimarer Republik und über den Fall des Massenmörders Fritz Haarmann. Im Hannover der 1920er Jahre verschwinden 24 Jungs spurlos. Robert Lahnstein der ermittelnde Beamte vermutet, dass ein Psychopath hinter dem Verschwinden steht. Vereinzelt werden Knochenüberreste und Schädel in der Leine gefunden. Schon bald gibt es einen Verdächtigen, könnte Fritz Haarmann der bestialische Massenmörder sein? Doch Lahnstein hat Mühe sich gegen die Kollegen und die Hannoversche Polizei durchzusetzen. Wird Haarmann als Spitzel geschützt? Ist der mehrfach vorbestrafte und geistig minderbemittelte Mann, der homosexuell veranlagt ist, der Mörder? Trotz der dubiosen Machenschaften der Kollegen und der verunsicherten Gesellschaft in der schwierigen Zeit der Zwischenkriegsjahre, gibt Lahnstein alles um den Fall aufzuklären. Dieses Buch umfasst 10 dicht gepackte Kapitel in idealer Leselänge. Die Ansichten des Mörders und einiger Jungs, sowie Briefe sind kursiv geschrieben, im Ich-Stil verfasst und durch den besonderen Schriftstil deutlich gemacht. Lebhafte Dialoge, die leider ohne Redezeichen eingefügt sind, beleben die Erzählung sind aber schwer als wörtliche Rede zu erkennen. Die Anmerkungen am Ende des Buches sind hilfreich. Anfangs hatte ich Probleme in Lesefluss zu kommen. Kurze Abgehackte Sätze, im Telegrammstil ließen mich ganz schlecht ins Buch kommen, die fehlenden Redezeichen waren gewöhnungsbedürftig, es ist sehr schwer auszumachen wer spricht und Rednerwechsel zu erkennen, dies ergibt einen hölzernen Erzählstil. Das hat mich am Anfang angestrengt, mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Dass es sich bei dem Buch um einen authentischen Fall handelt ist dem Leser jedoch jederzeit bewusst. Fakten, Originaldokumente und Zeitungsberichte sind genügend eingefügt. Vernehmungsprotokolle werden zitiert. Für meinen Geschmack war die Story etwas zu politisch, auch die privaten Angelegenheiten Lahnsteins sind mir im Buch etwas zu sehr betont. Ich habe mich so sehr auf die Erzählung, eines der spektakulärsten Kriminalfälle in der deutschen Geschichte gefreut. Leider haben sich meine Erwartungen nicht ganz erfüllt. Es wurden eher die Lebensumstände in der frühen Weimarer Republik geschildert, viel Zeitkolorit ist vorhanden, dabei kommt m.E. der Täter, die Taten und auch die Homophobie der damaligen Zeit zu kurz. Aus dieser Mordserie hätte man etwas mehr machen können, wie im Film „Der Totmacher“, m. M. nach hat der Autor hier eine gute Gelegenheit vertan, da werde ich noch warten müssen bis ein anderer Autor das Thema erneut aufgreift. Die Figur Lahnstein ist gut gezeichnet auch er hat einiges zu tragen, doch im vorliegenden Krimi hätte ich eine Charakterisierung von Fritz Haarmann erwartet. Insgesamt war ich vom vorliegenden Buch etwas enttäuscht, der Fall Haarmann fasziniert mich schon jahrelang. Das Schicksal von Hans Grans habe ich nach der Lektüre noch nachrecherchiert, auch das hat mir im Buch gefehlt. Trotzdem ein informatives Buch zu diesem Thema, besonders für die Leser geeignet, die den geschichtlichen Hintergrund interessant finden, eine Leseempfehlung von mir. Aus o.g. Gründen von mir 3 Sterne von 5 möglichen.

Lesen Sie weiter

Meine Eindrücke: Der Fall Haarmann, war mir als einer der größten Serienmörder allgemein bekannt. So gibt es zu Haarmann nicht nur einen eigenen Wikipediaeintrag [https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Haarmann] sondern auch verschiedene Liedadaptionen dessen Refrain „Warte,Warte nur ein weilchen bald kommt Haarmann auch zu dir mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir Aus den Augen macht er Sülze aus den Hintern macht er Speck aus den Därmen macht er Würste und den Rest schmeisst er Weg“ sicher der ein oder andere bereits einmal gehört hat. Daher habe ich mit großem Interesse das Buch von Dirk Kurbjuweit gelesen. Ich muss gestehen, der Anfang fiel mir etwas schwer, was nicht so sehr an der Geschichte oder den Handelnden Personen lag sondern ehrlich gesagt allein der Tatsache geschuldet war, dass es bei Unterhaltungen / Gesprächen keine wörtliche Rede gab. Das Fehlen der allzeit verwendeten „Gänsefüßchen“ war es, was zunächst den Lesefluss bei mir ein wenig hemmte. Hat man sich aber daran gewöhnt so eröffnet sich nicht nur der bekannte Kriminalfall sondern eine Welt in Veränderung, geprägt von der Vergangenheit. Der Autor nimmt uns mit seinem Protagonisten, dem Hauptkommissar Lahnstein nicht nur mit in seine Kriegsvergangenheit sondern auch in die politischen Irrungen und Wirrungen zu Beginn der 1920er Jahre. Sehr dicht erzählt er die Gedanken und Zwiespalte, die sich auftun, zwischen Foltern und reiner Polizeiarbeit, zwischen Kaisertreuen Gedanken, dem aufkommenden Nationalsozialismus und den demokratischen Gehversuchen nach Versailles. Die Zweifel und Gedanken Lahnsteins werden oftmals so düster erzählt, dass die eigentliche Krimihandlung da eher als Staffage wirkt. Neben den skizzierten Erzählebenen gibt es noch eine weitere Perspektive, die aus Sicht des Täters, die die Geschehnisse greifbar machen und einen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt des Täters geben. Das Buch kommt ohne psychologische Effekte aus, es zeigt die zu damaliger Zeit schwierige Arbeit der Kriminalpolizei und auch den inneren Feindschaften die es in einer solchen Behörde zu begegnen gilt. Es ist also ein eher leiser Krimi, der aber gerade deshalb seine Reize entfaltet. Es geht eindeutig tiefer und verlässt die eigentliche Krimistory immer wieder um den Leser mit den jeweiligen menschlichen und gesellschaftlichen Abgründen zu konfrontieren. Mein Fazit: Ein Krimi der aufgrund seiner beschreibenden Atmosphäre der Ängste, Unsicherheiten und politischen Rahmenbedingungen zu jener Zeit, anders daherkommt wie viele andere Krimis. Gerade die Darstellung der Traumata aller Beteiligten, ob Täter oder Jäger und der Blick auf deren jeweiligen Moralvorstellungen ist es, was das Buch aus meiner Sicht lesenswert macht und daher 4 von 5 Sternen von mir bekommt

Lesen Sie weiter

** Sicherheit, die Leute wollten Sicherheit, Ordnung. Auf den Kaiser konnten sie verzichten, die Leute, aber nicht auf die Sicherheit. ** So viel gleich vorweg, "Haarmann", der neue Roman von Dirk Kurbjuweit ist nicht jedermanns Geschmack. Auch ich habe mich anfangs eher schwer getan und es hat einige Seiten gebraucht, bis er mich so richtig fesseln konnte. Ich war sehr neugierig auf das Buch, weil mich das Thema "Haarmann" unheimlich interessiert und z.B. die Haarmann Protokolle und deren Verfilmung Gänsehaut bei mir ausgelöst haben. Das hat Dirk Kurbjuweit nicht geschafft. Und das liegt gar nicht mal am Schreibstil, der sehr nüchtern, distanziert ist und ohne jegliche Anführungszeichen in der wörtlichen Rede auskommt - was tatsächlich anstrengend ist. Nein, man wird einfach das Gefühl nicht ganz los, dass der Autor die Person Fritz Haarmann durch all seine anderen Themen, zu Beginn ein wenig aus den Augen verliert. Er driftet viel ins tief politische ab, es geht um die Nachwehen des 1. Weltkriegs, den Heimkehrern, um Korruption und es dreht sich immer wieder um §175 oder auch "geboren am 17.05." wie man Homosexuelle zu damaliger Zeit gern betitelt hat. Mir persönlich wurde es mit den Problemen und der Zerrissenheit des Ermittlers Lahnstein zu diesem Thema ein wenig zu viel. Es ist klar, was der Autor damit bezwecken möchte, aber das hätte es gar nicht gebraucht, um sich in Lahnstein hineinversetzen zu können. Manchmal ist weniger wirkungsvoller. Dirk Kurbjuweit zeichnet ein unheimlich starkes, sehr authentisches Bild der 20iger Jahre und der Leser bekommt ein Gefühl, warum jemand wie Haarmann so lange unentdeckt morden konnte. Das ist schon klasse gemacht. Und er zeigt auch ganz deutlich die Ermittlungsarbeit, die Einschränkungen durch den Versailler Vertrag, den Druck durch die Eltern der verschwundenen Jungen, durch die Presse usw. Zwischendurch gibt es immer wieder kurze kursive Kapitel aus der Sicht Haarmanns oder eines seiner Opfer, aber so richtig intensiv wird es hier erst im letzten Drittel. Fazit: Mir hat der Roman sehr gefallen, trotzdem kann ich "Haarmann" nur bedingt weiterempfehlen. Er ist mit Sicherheit für all diejenigen interessant, die den Fall einmal aus einer anderen Perspektive, mitten aus dem Zeitgeschehen der 20iger Jahre in Hannover, lesen wollen. Jemand, der einfach einen spannenden Krimi nach einer wahren Geschichte erwartet, der wird vermutlich eher enttäuscht sein.

Lesen Sie weiter

Kurbjuweit hat in seinem Kriminalroman "Haarmann" geschickt Realität und Fiktion miteinander kombiniert, so dass einer der brutalsten Serienmord-Fälle der deutschen Geschichte eine Bühne bekommt, die einen in seinen Bann führt - ob man es möchte oder nicht. Dabei gibt es viele Momente, vor denen man am liebsten die Augen verschließen möchte. Aber so erschrocken und ohnmächtig, wie sich die Bevölkerung Hannovers dem Verschwinden von Jungen und jungen Männern ausgesetzt fühlt, so kann auch der Leser/die Leserin sich dessen nicht entziehen. Es bleiben auf beiden Seiten Erschrecken und Ohnmacht. Die Handlung des Kriminalromans entwickelt sich an der fiktiven Gestalt des Ermittlers Robert Lahnstein. Er ist von Bochum nach Hannover versetzt worden, um das Verschwinden von Jungen und jungen Männern aufzuklären. Am Ende zählt er 24 Verschwundene. Doch er fühlt sich bald ohnmächtig. Egal, welche Spur er verfolgt - wenn es denn eine gibt -, der Durchbruch bleibt aus. Bald verdichten sich die Informationen und führen zu Fritz Haarmann. Doch geschickt windet er sich aus sämtlichen Anschuldigungen und führt die Polizei als machtlos vor. Lahnstein kämpft nicht nur mit der Aufklärung des Falls, sondern auch mit seinem Kollegen Müller, der seine Ermittlungsarbeit erschwert, sowie mit seiner Vergangenheit, die ihn immer wieder einholt. Die Handlung bekommt eine besondere Lenkung, indem Personen, die wirklich mit dem Fall Haarmann betraut waren, neben Personen auftreten, die Kurbjuweit einführt, damit dem Leser/der Leserin das soziale und gesellschaftliche Umfeld des Romans dargestellt werden kann. Eine der von Kurbjuweit eingeführten Person, ist die Figur des Ermittlers Lahnstein. An ihm werden die Spannungen zwischen Sozialdemokraten, Monarchisten und Nationalisten deutlich. Auch die politischen Umbrüche und Herausforderungen der 1920er Jahre finden in ihm Raum. Selbst die Themen „Armut“, „(Kriegs-)Witwen“, „Homosexualität“, „sexuelle Freizügigkeit/Prostitution“ u.a. werden nicht ausgespart. Damit ist der Kriminalroman „Haarmann“ ein historischer Spiegel, der den Leser/die Leserin in die Zeit der scheinbar goldenen 1920er Jahre einführt. Dabei beschönigt er nichts und entlarvt die Freiheiten der 20er Jahre als trügerisch. Der nüchterne Schreibstil, der durch kurze prägnante Sätze sowie durch die fehlende Kennzeichnung der wörtlichen Rede noch verstärkt wird, unterstreicht, dass Kurbjuweit eine Welt eröffnen möchte, die einen mitreißt, nicht loslässt; eine Welt, vor der man nicht die Augen verschließen kann. Bis man feststellt, dass es Parallelen gibt, die sich bis in die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts ziehen. Ich war ganz fasziniert von dem Kriminalroman „Haarmann“, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Dabei fesselte mich nicht nur die Schilderung des realen Kriminalfall Fritz Haarmann, sondern auch das Schicksal der fiktiven Hauptfigur Robert Lahnstein. Es ist eines der wenigen Bücher, an dessen Ende keine offene Fragen mehr bleiben und man ahnen kann, wie es mit den Hauptfiguren - egal, ob real oder fiktiv - weitergeht. Die Geschichte ist zu Ende gezählt, obwohl man noch viel sagen könnte. Fantastisch!

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.