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Rezensionen zu
Zeit der Schuld

Deepti Kapoor

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€ 28,00 [D] inkl. MwSt. | € 28,80 [A] | CHF 37,90* (* empf. VK-Preis)

Wenn ich dieses Buch in einem Satz zusammen fassen müsste, wäre es: Zwielichtige Menschen zerstören anderer Menschen Leben. Es geht um Korruption, um Machtmissbrauch, Menschenhandel, Clans, Gangster und Politik in Indiens ökonomischem und sozialen Zentrum. Dabei stehen äußerst brutale Maßnahmen an der Tagesordnung. Ich will es nicht herunterspielen, das Buch legt einige verstörende Abgründe der Menschheit offen und bietet unerfreulich wenig Platz zum Aufatmen. Ich bin mir nicht sicher, ob es all die Brutalität wirklich gebraucht hätte. Insbesondere die trans-Repräsentation fand ich in dem Zusammenhang fragwürdig. Aber abgesehen davon schreibt die Autorin unfassbar eindringlich und detailreich. Sie bespricht intensiv Klassenunterschiede, soziale Ungerechtigkeiten und erschafft auch sehr lebendige Charaktere. Fehlerhaft, unperfekt und schwierig zuweilen, aber sehr interessant. Sympathische Protagonist*innen sollte hier aber niemand erwarten. Ganz zentral ist die Frage der Schuld. Schuld an den Verbrechen anderer, an den eigenen Fehlern und falschen Entscheidungen. Schuld an den Problemen in der indischen Gesellschaft. Schuld, die sich von Generation von Generation weitervererbt. Ich glaube tatsächlich, am Ende ist niemand aus dem Roman irgendwie unschuldig, wobei gleichzeitig alle ihre Schuld anderen zuschieben möchten. Und während sich einige weiterentwickeln, treibt es andere immer tiefer in die Skrupellosigkeit. Was die Handlung angeht, so gibt es keinen geradlinigen roten Faden. Die Geschichte windet sich hindurch, nutzt verschiedene Perspektiven und offenbart stückchenweise immer wieder neue Informationen, um sich dem Ende anzunähern. Das funktioniert gut bis etwa zwei Drittel des Buches, dann wurde es etwas wirr. Manche letzte Kapitel hätte ich gestrichen, deren Bedeutung für die Story hat sich mir nicht erschlossen. Fazit: ein sehr eigenwilliges Drama, das ich aufgrund der Erzählweise sehr spannend fand, aber wegen der traumatischen Ereignisse nicht einfach allen empfehlen würde.

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Faszinierend

Von: Soulbooks

19.04.2023

Zeit der Schuld, ein Buchtitel, der in meinen Augen so viel aussagt und auch wieder nicht. Er wirft Fragen auf und soll doch sicher auch Antworten liefern. Eine Geschichte über das indische Kastensystem, über eine Gesellschaft der Extreme – so vermag es zumindest für uns sein – und eine Lebensart, die völlig anders ist, als sie erscheint.   Deepti Kapoors Roman wirkt auch heute noch nach, obwohl es nun wirklich eine Weile her ist, dass ich ihn gelesen habe. Aber es fällt mir schlicht und ergreifend schwer, dieses Buch wirklich in Worte zu fassen. Direkt das erste Kapitel wirft den Leser ins Geschehen und lässt ihn direkt voller Misstrauen zurück: was ist das bitte für eine Gesellschaft, für ein System, dass all dies so zulässt? Und wenn man dann die Sichten von Ajay, Sunny und Neda liest, in ihnen versinkt, als gäbe es kein Morgen mehr, weiß man: ja, es hat alles so seine, für uns unwirkliche, Richtigkeit. Es muss alles genau so sein. Es ist ein Buch voller Schmerz, Angst, Gier, Hoffnung, Verzweiflung und Liebe. Es ist die Geschichte von drei Menschen, die aneinander gebunden sind und sich die Frage stellen müssen: was will ich eigentlich vom Leben. Dieser Schreibstil, der anfangs völlig chaotisch wirkt, viele Situationen in kurzer Zeit und noch mehr Informationen beinhaltet, die es als Leser zu verarbeiten gilt, macht diesen Roman zu etwas ganz Besonderem. Und wenn man sich darauf einlässt, ist die Geschichte voller Facetten und Tiefe, absolut lebendig und eben völlig anders. Wirklich sehr empfehlenswert.

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Inhalt: Geboren in einem kleinen Dorf im nördlichen Indien wird Ajay als Kind seiner Familie entrissen und an ein kinderloses Ehepaar verkauft. Von früh bis spät arbeitet er in der Landwirtschaft des Ehepaars, er lernt lesen und schreiben, lernt zu beobachten – und er lernt zu dienen. Als sein Dienstherr stirbt, findet Ajay Arbeit in einem Café – und dort macht er eine schicksalsweisende Bekanntschaft: Sunny Wadia, Abkömmling des einflussreichen Wadia-Clans, verbringt dort mit seinen Freunden das Wochenende. Ajay wird Sunnys rechte Hand und nicht nur in die politischen Machenschaften der Wadias, sondern auch in die verbotene Liebesbeziehung zwischen Sunny und der Journalistin Neda hineingezogen. Er würde für Sunny alles tun – ohne zu ahnen, dass sein größter Loyalitätsbeweis Sunny, Neda und ihn selbst in eine Spirale der Gewalt verstricken wird … Meine Meinung: Schuld kann man sich selbst aufbürden, man kann aber auch in der Schuld eines anderen sein. So kann die Schuld von vielen Seiten betrachtet werden, was hier in diesem epischen Roman auch getan wird. Neben dem Thema der Schuld, spielt auch Loyalität eine große Rolle im Geschehen. Diese wird auf eine große Probe gestellt im Verlauf der Geschehnisse. Am ende ist es vor allem die Loyalität zu sich selbst, die den Hauptakteuren am wichtigsten sein wird. Viele Details und Handlungen, die am Ende zu einem großen Finale zusammen laufen. Hier wird ein Einblick ein bisher unbekanntes, modernes Indien gegeben, dass sich zwischen Kriminalität und Glamour ansiedelt. Super spannende und interessante Lektüre!

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Es ist unheimlich schwer, dieses Buch zu beschreiben und alle Gedanken und Eindrücke in Worte zu fassen. Dieser Roman ist wie ein Sturm, gewaltig und mitreißend. Man ist wie in einem Sog gefangen, so brutal, schockierend, zerstörend und herzzerreißend. Wir machen eine Reise in das heutige Indien, samt seiner interessanten Kultur, aber auch der vollen Wucht an Gewalt und Kriminalität, der Schere zwischen Arm und Reich, die in Indien gewaltige Ausmaße erreicht. Das traurige Schicksal der Menschen in Armut. Es bleibt ihnen oft nicht nichts anderes übrig, als in die Arme der Mafiaclans zu laufen, getrieben von ihrer Existenzangst, anschließend schamlos ausgenutzt und ausgebeutet. Wie schnell dieser Weg die Menschen zu Verbrechern und Mördern werden lässt... Wer das Geld hat, hat auch die Macht - und das Geld regiert die Welt. Und gerade hier trifft diese Aussage den Kern. Dass das Kastensystem offiziell abgeschafft wurde, hilft den Armen der Ärmsten nicht wirklich, weil es trotzdem immer noch zu oft weiter ausgelebt und toleriert wird. Korruption, Verrat, Drogen & Alkohoexzesse, Mord, Menschenhandel, Vergewaltigung, Erpressung, Raub, Unterdrückung und noch mehr. All das ist eine extrem schwere Kost und nichts für schwache Nerven. Wieso ich trotzdem 5 Sterne vergebe? Weil dieser Roman zum Nachdenken anregt, weil er lange nachklingt und weil es tatsächlich für viele Menschen die Wahrheit und Alltag ist. All diese Dinge geschehen wirklich. Und trotzdem liest sich dieses Buch sehr gut, vor allem zum Schluss wird es richtig spannend. Es gibt drei Hauptprotagonisten, aus deren Sicht erzählt wird. Ajay, Sunny und Neda. Diese drei Personen kommen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten. Eine Frage der Loyalität, Überlebensswille, Träume, problematische Beziehungen zu den Eltern, eine Liebe, die nicht sein darf. Schicksalhaft, tragisch, dramatisch emotional. Es gibt keine Gewinner in diesem Buch. Vielen lieben Dank an @bloggerportal und @penguinbuecher Eure EGo

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Von Schuld und Rache... „Zeit der Schuld“ ist der erste Roman der indischen Autorin Deepti Kapoor, der auf Deutsch erschienen ist. Dieser ist ziemlich beeindruckend geschrieben und fesselt von der ersten Seite an. Einer der Hauptfiguren ist der junge Ajay, der in einem kleinen indischen Dorf in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Doch mit acht Jahren wird er von seiner Familie getrennt und verkauft – an ein Ehepaar in den Bergen. Fortan arbeitet er für die beiden, die Landwirtschaft und ein großes Haus besitzen. Dazu lernt er lesen und schreiben und entwickelt eine gute Beobachtungsgabe. Doch als sein Dienstherr Jahre später stirbt, muss er das Haus verlassen. Bei seinem neuen Job in einem nahegelegenen Café lernt er den reichen Sunny Wadia kennen – eine Bekanntschaft, die sein weiteres Leben für immer verändern wird. Sunny ist der Sohn von Bunty Wadia, der über den mächtigen Wadia-Clan herrscht und vor nichts zurückschreckt. Ajay wird Sunnys persönlicher Assistent, ist immer zur Stelle, wenn dieser ihn braucht und führt alle ihm aufgetragenen Aufgaben aus. Er sieht und hört viel – und schweigt. „In diesen überschäumenden Nächten beobachtet er den Verfall einiger der schönsten Menschen, die er je gesehen hat, er selbst unsichtbar zwischen sich streitenden und lachenden und diskutierenden, brüllenden und küssenden und kämpfenden und umherspringenden Leuten.“ – Seite 65, eBook Als die junge Journalistin Neda ist Sunnys Leben tritt, ändert sich einiges. Sunnys und Neda führen eine heimliche Beziehung, die sein mächtiger und skrupelloser Vater niemals billigen würde. Ajay, der Sunny bewundert, wird immer mehr in verschiedenste Verstrickungen hineingezogen und in eine gefährliche Spirale aus Rache und Gewalt… Schon von der ersten Seite an beeindruckt der starke Erzählstil der Autorin: Direkt, schnörkellos und bildgewaltig. Die Handlung wechselt regelmäßig zwischen verschiedenen Zeitebenen und den Charakteren – sowohl Haupt- und Nebenfiguren. So erlebt man die jeweiligen Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln – wo in einem Abschnitt noch Fragen offenbleiben, werden diese im nächsten beantwortet. So verbinden sich schließlich die einzelnen Puzzleteile zu einem Gesamtbild, das überrascht – und manchmal auch heftig ist. Nach und nach kommen Geheimnisse ans Licht und tiefe Verstrickungen, mit denen man nie gerechnet hat, werden sichtbar. Die Figuren sind klar gezeichnet, auch die verschiedenen Schauplätze in Indien werden sehr detailreich und klar beschrieben. Es wird mal berührend und traurig, mal rau und sehr brutal und auch packend und dramatisch. „Sie redeten eine Weile aneinander vorbei, wieder und wieder, jeder auf seiner Perspektive auf eine Geschichte beharrend, die keinen Zusammenhang ergab, die sich im Kreis drehte.“ – Seite 245, eBook Auch die zum Teil großen Veränderungen, die die einzelnen Charaktere durchmachen wird hautnah geschildert – nach und nach kommt einiges ans Licht und zeigen natürlich auch auf, wie es zu dem schrecklichen Unfall im ersten Kapitel kam. Zwischen Armut und Reichtum, Korruption, Schuld und Rache und natürlich der Kampf um Gerechtigkeit – vieles wird in diesem eindrucksvollen Roman sichtbar, der noch lange nachhallt. „Er hatte nichts zu sagen. Was gab es auch zu sagen? Es war die Wahrheit und beide wussten es. Neda schloss die Augen und war bereits eingeschlafen, bevor sie Zeit gehabt hätte zu bemerken, wie sie in der Dunkelheit versank.“ – Seite 247, eBook Mein Fazit: Ein Roman mit beeindruckendem Erzählstil, der einen von der ersten Seite an packt und nicht mehr loslässt. Stark gezeichnete Charaktere, deren Leben sich nach und nach miteinander verbinden und ein überraschendes und manchmal heftiges Gesamtbild ergeben. Mal bewegend und traurig, dann wieder rau und auch mal ziemlich brutal – der Roman hat einiges zu bieten und ist nicht ohne. Gleichzeitig aber packend und sehr bildgewaltig geschrieben. Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst – eine Leseempfehlung!

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Highlight

Von: Lesehummel

26.03.2023

Delhi in den frühen Morgenstunden. Plötzlich rast ein Mercedes auf den Bordstein und reißt fünf schlafende Obdachlose in den Tod. Einziger Überlebender ist der mutmaßliche Fahrer des Wagens: Ajay, ein Dienstbote im Hause des Wadia-Clans. Was fortan erzählt wird, ist Ajays Geschichte. Als Kastenloser, im armen, ländlichen Teil Nordindiens geboren, wird er von seiner Mutter an ein kinderloses Pärchen am Fuße des Himalayas verkauft. Durch eine lebensweisende Begegnung macht er schon bald Bekanntschaft mit Sunny, einem Sprössling des mächtigen Wadia-Clans. Sunnys Leben ist geprägt von Korruption, Gewalt, Drogen- und Alkoholexzessen. Aufgrund seiner hingebungsvollen sowie besonnenen Art wird Ajay schnell zu Sunnys persönlichem Dienstboten berufen und taucht dabei nicht nur in die Welt der delhi'schen VIP's und indischen Gangster ein, sondern erlebt auch hautnah eine von Korruption und Verbrechen geprägte Welt - in der er fortan mehr als nur einmal für seinen Dienstherrn den Kopf hinhält. Kapoors Roman spielt im modernen Indien und thematisiert nicht nur das Gangsterleben, sondern ebenfalls das Modernisierungsstreben, das häufig zu Lasten der ländlichen, ärmeren Klassen bzw. niederen Kasten geht und beleuchtet dieses kritisch. Komplexe, sehr ausdefinierte Charaktere mit ganz eigenen Lastern bilden zudem das solide Grundgerüst für diesen wirklich sehr guten Roman. Sunny will sich von seiner Familie lösen, doch zugleich genießt er den Reichtum und die Machtposition seiner Familie, die er doch nicht missen möchte und - in Unvereinbarkeit mit seinem Lebensstil - auch gar nicht kann. Neben Sunny sind alle anderen, mal mehr mal weniger präsenten Protagonisten in ihren Wesen sehr ambivalent aufgebaut. Sie sind raue Charaktere mit vorherbestimmen Lebenswegen - aber authentisch und trotz ihrer jeweiligen Eigenheiten und Verderbtheit ein großes Stück weit Zuneigung erregend und herzgewinnend. Als dritte Protagonistin taucht irgendwann dann eine Frau namens Neda im Leben der beiden Männer auf. Sie ist Journalistin und wird bald schon zur Liebhaberin von Sunny und zum Teil auch zum moralischen Kompass seiner verquerten Machenschaften. Alle drei bilden fortan ein ziemlich verquirltes Trio in schicksalhafter Verbundenheit; drei Menschen aus dreierlei Lebenswelten und Umfeldern, deren Realitäten aber allesamt vom Clanleben überschattet wird. Allerlei Intrigen, Nebengeschichten und Wendungen führen zu vielen actionreichen Szenen und einer griffigen, manchmal chaotischen und sehr rasanten Handlung mit ständigem Spannungsbogen. Mit einer schmutzigen, rabiaten Welt und mitunter viel Brutalität und menschlichen Abgründen hat "Zeit der Schuld" mich mit Begeisterung ins Gangster-Paradis Indiens abtauchen lassen. Das schnelle Erzähltempo hat mich komplett gefesselt und das 700-Seiten starke Buch hab ich innerhalb weniger Tage durchgesuchtet. Große Leseempfehlung, ein Highlight!

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Indien. Uttar Pradesh, Delhi und der Norden zu Nepal. Ajay war acht Jahre jung, als er von seiner Mutter verkauft wurde. Sie gab ihm die Schuld, dass ihre Ziege ausbüxte, sich an Nachbars Spinat gütlich tat und darauf hin sein Vater ermordet wurde. Ajay kam in ein Gehöft im Norden, musste arbeiten und war der Meinung, sein Lohn bekäme direkt seine Mutter. Das geschah 1991. Dreizehn Jahre später sitzt er im Gefängnis, … was dazwischen geschah und kurz danach ist der Inhalt dieses fesselnden Romans, der durch alle Gesellschaftsschichten Indien pflügt. Er reißt nie verschlossene Wunden auf, wirft die Tatsachen wie die Erdschollen ans Licht. Ohne Erbarmen zeigt er uns ein Indien, das vom Kastenwesen, Korruption und Syndikaten beherrscht ist. Bittere Armut versus unermesslicher Reichtum, dazu eine Ausbeutung der Gesellschaft, vor der man meint, sie sei seit Jahrhunderten vorbei. Das kurze Leben Ajays ist unser Reiseleiter. Als sein Besitzer im Norden starb, war er zwar frei, aber mittellos. Er hatte Glück, fand Arbeit, und auch nötige Kontakte. Und so spülte ihn das Leben wie der Monsun eines Tages nach Indien zu Sunny, Thronfolger eines Syndikatoberhauptes. Er wurde Diener, Bewacher, Mädchen für alles. Sunny hingeben lebte in Saus und Braus, hatte sogar durchaus ansprechende Zukunftsvisionen. Ajays früh erlernte Fähigkeit bedingungslos zu gehorchen kam ihm nur zu Gute. Er verdiente viel Geld, hatte Freizeit. Und dennoch verhedderte er sich in den imaginären Fußfesseln des Clans. Er war Opfer, wurde zum Täter, und wieder zum Opfer. Im Hinterkopf war immer seine Sorge um seine Mutter und Schwester. Zu gerne würde er sie besuchen. Eines Tages ergab sich eine Gelegenheit, und die wahren Verstrickungen seinen Lebens kamen ans Tageslicht. Mehr wird nicht verraten – ich kann aber sagen: es hat epische Züge und ist ein Lied über Schuld und Sühne, Freundschaft, Loyalität und Verrat. Ein knapp 700 Seiten starker Bericht aus dem zeitgenössischen Indien, ganz ohne Romantik und Bollywood. Die Sprachführung der Autorin ist sehr direkt, angenehm zu lesen, und schon nach den ersten Seiten weiß man: das ist ein Pageturner. Deepti Kapoor versteht es, die Leserschaft in und durch ihre Welt zu führen, als wäre man permanent direkter Begleiter der Protagonist:Innen. Das ist für mich hohe Erzählkunst. Somit gebe ich hier sehr gerne eine absolute Leseempfehlung. Dies ist der erste Roman der Autorin, welcher ins Deutsche übersetzt wurde. Ich hoffe, weitere folgen nach.

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Deepti Kapoors „Zeit der Schuld“ ist der erste Band einer geplanten Trilogie und startet mit einem Paukenschlag, wobei die Autorin sich nicht mit einleitenden Beschreibungen oder Floskeln aufhält, sondern uns schon mit den ersten Sätzen in einen Roman hineinwirft, der uns hinter die Fassaden eines vom Kastensystem geprägten Landes blicken lässt, in dem jeder einzelne schon von Geburt an seinen Platz in der Hierarchie zugewiesen bekommt. Ein Land, in dem Herkunft noch immer mehr zählt als Leistung, in dem korruptes Verhalten quasi zum guten Ton gehört, Moral ein Fremdwort ist. Wir sehen die dunklen Seiten einer Nation der Extreme. Auf der einen Seite diejenigen, die das Sagen haben und sich ihren Wohlstand selten auf ehrliche Weise verdient haben, auf der anderen Seite diejenigen, die deren Befehle ohne Widerspruch ausführen. Und dann ist da noch die bettelarme Mehrheit, die unter untragbaren Bedingungen ihr Leben fristet. Sichtbar für alle, aber diejenigen, die die Möglichkeiten und die Mittel hätten, die Zustände zum Besseren zu verändern, sind in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. So auch die drei Protagonisten, die wir in diesem Roman begleiten. Alle sind auf der Suche nach ihrem wahren Ich: Ajay, der vom Aufstieg träumt, eines Tages als reicher Mann in sein Dorf zurückkehren will. Er wurde als Kind nach dem Tod des Vaters wie ein Stück Vieh in die Berge verkauft, wo er für seinen Lebensunterhalt schwer schuften musste. Als sein Besitzer stirbt, schlägt er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, bis er eines Tages auf Sunny Wadia trifft, ein typischer Playboy, der seine Tage mit ausufernden Partys verbringt, aber auch der Sohn eines skrupellosen Gangsterbosses aus Delhi. Sunny hat ambitionierte Pläne, sieht ein Leben als Philanthrop vor sich, der Gutes tun möchte. Aber das muss warten, bis er das Erbe seines Vaters antreten kann. Er nimmt Ajay mit in die Metropole, und dieser setzt alles daran ihm zu gefallen, unentbehrlich zu werden. Er ist Sunny absolut ergeben, dient sich hoch, gewinnt sein Vertrauen und wird dessen Leibwächter. Die Dritte im Bunde ist die aus einer Mittelschichtsfamilie stammende Neda, Journalistin und Sunnys Freundin, die die gesellschaftlichen Widersprüche zwar registriert, sich aber keine Gedanken über deren Ursachen macht. Alle drei haben ein idealisiertes Bild von sich und einer Zukunft vor Augen, die mit Sicherheit einer Überprüfung nicht standhalten wird. Ein Gangsterepos und ein Familienroman, brutal und zärtlich gleichermaßen, der den Finger in eine seit Jahrhunderten schwärende Wunde legt. Die Art und Weise, in der Kapoor diese Geschichte erzählt ist brillant, geprägt von dem Prinzip des Show, don’t tell mit den kurzen, knappen Sätzen, die auf den Leser einprasseln. Dazu eine vielschichtige, düstere Handlung, die uns tief in die Abgründe des heutigen Indien mitnimmt, uns die dunklen Seiten einer Gesellschaft zeigt, die nichts mit den glamourösen Bollywood-Filmen gemeinsam hat. Anrührend, schockierend, beeindruckend. Lesen!

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