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Rezensionen zu
Die geliehene Schuld

Claire Winter

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Inhalt: Deutschland 1949. Jonathan, ein junger Journalist einer Berliner Zeitung, arbeitet an einer brisanten Reportage über ehemalige Kriegsverbrecher. Seine Recherchen bringen ihn in höchste Gefahr und er schafft es gerade noch, seine Unterlagen an seine Kollegin und Jugendfreundin Vera zu schicken, bevor er tödlich verunglückt. Vera, die während des 2.Weltkrieges ihre Eltern und ihren Mann verloren hat, möchte eigentlich nur noch nach vorne blicken. Doch als sie von Jonathans Tod erfährt, führt sie seine Recherchen fort und die Spuren führen sie bis in die mächtigen Kreise der Geheimdienste. Meine Meinung: Claire Winter schafft es mit „Die geliehene Schuld“ die Nachkriegsjahre in Deutschland überaus spannend, informativ und interessant lebendig werden zu lassen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der Protagonisten, aber auch anderer Charaktere, auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart erfährt Vera von Jonathans Tod und erhält seine Unterlagen mit der Bitte, seine Recherchen zu Ende zu führen. Sehr schnell gerät sie dadurch in Lebensgefahr. In Rückblicken, die neun Monate vor Jonathans Tod beginnen und sich zeitlich immer weiter der Gegenwart annähern, erzählt die Autorin von Jonathan und der jungen Marie, die gerade eine Stelle als Sekretärin im neu gegründeten Parlamantarischen Rat in Bonn antritt. Der Schreibstil ist sehr flüssig und der Spannungsbogen steigt so rasant an, dass ich das Buch nur sehr ungern aus der Hand gelegt habe. Alle Charaktere sind lebendig und authentisch beschrieben. Mit einigen fühlt und leidet man mit, andere verabscheut oder fürchtet man. Marie hat mir besonders gut gefallen; durch ihre Nachforschungen hat sie eher unfreiwillig eine große Entwicklung gemacht. Fazit: Dieser sehr gut recherchierte Roman liest sich wie ein spannender Thriller. Obwohl die Geschichte fiktiv ist, sind die historischen Fakten leider wahr. Ein ganz tolles Buch!

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Grandios - unbedingt lesenswert für alle, die eine gute Schreibe und Familiengeschichten mit historischen Zusammenhängen mögen! Claire Winter schrieb auch dieses Mal einen Schmöker und zwar einen der es in sich hat. Eine Portion Liebe, eine Prise Herzschmerz, einen guten Schuss Spannung und gute Recherche ergibt gut gerührt dieses Buch:Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Welt der Geheimdienste und der Welt als hierzulande noch nicht klar war, wohin der Weg führen würde. Dazu eine Spurensuche, die es in sich hat. Journalisten, die die Geschichte dazu offenlegen möchten und eine Frau, die ihre Kriegstraumata vergessen und neu beginnen möchte. Weitere Akteure kommen hinzu, einige Rückkehrer und einige Hartgesottene. Fast alle wollen den Krieg verstehen beziehungsweise einiges aufarbeiten und wenige versuchen dies zu verhindern. Es ist ein exzellenter Plot, der mich nicht mehr los ließ und eine runde Woche wundervolles Leseerlebnis bot. Claire Winter schreibt mitreißend und gut, setzt ihre Spannungsbögen genau richtig und bringt die Fäden passend zusammen.

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"Literaturwerkstatt- kreativ“ stellt vor „Die geliehene Schuld“ von Claire Winter Berlin – Bonn - Köln 1949 Claire Winter führt uns mit ihrem Roman ins Nachkriegsdeutschland. Die Nürnberger Prozesse und die Entnazifizierung sind in vollem Gange. Kinder stellen ihren Vätern die Frage: „Was hast Du eigentlich im Krieg gemacht ?“. Die Redakteurin Vera Lessing will nach ihren traumatischen Erlebnissen während des zweiten Weltkrieges mit dem Thema Krieg eigentlich nichts mehr zu tun haben. Sie kann auch nicht nachvollziehen, dass ihr Kollege und guter Freund Jonathan, sich immer wieder auf Recherchen über diese Zeit und die damit einhergegangen Gräueltaten einlässt. Dabei scheint er bei seiner letzten Recherche zu viele Fragen gestellt und einigen Personen zu Nahe gekommen zu sein, denn - er wird umgebracht. Kurz vor seinem Tod hat er Vera noch seine Unterlagen zugeschickt. Vera will nun wissen, warum Jonathan sterben musste und fängt an eigenständig zu recherchieren. Sie stellt fest, das Jonathan Recherchen speziell über ehemalige Kriegsverbrecher betrieben hat und über Flüchtlingsruten, die über Italien führten. Zudem erfährt sie, dass Jonathan nähren Kontakt zu Marie Weißenburg hatte. Eine junge Frau und Sekretärin im Stab Konrad Adenauers. Marie Weißenburg geht der Frage nach, was ihr verstorbener Vater während des Krieges gemacht hat und bat Jonathan um Hilfe. Ihre Recherchen führen nun Vera, bis in die mächtigsten Kreise der Geheimdienste und in alte Seilschaften ehemaliger Nazis, die unter allen Umständen verhindern wollen, dass Vera ihre bisherigen Recherchen öffentlich macht. Deutschland befindet sich im Umbruch, in Bonn wird gerade die erste Verfassung geschrieben. Fazit: Claire Winter (Pseudonym für Claudia Ziegler), ist es wieder einmal gelungen, nach „Die verbotene Zeit“ ein absolut mitreißendes, ergreifendes, aber auch nachdenkliches Buch zu schreiben. Ein Buch das aufrüttelt und erinnert und einen noch mal sehr konkret vor Augen führt, das eine großen Zahl von Nazis – durch Hilfe von Kirche und Politik - auf den Rattenlinien und Klosterrouten nach Italien und meist weiter nach Südamerika fliehen konnten. Und es mach auch deutlich, das Männer wie etwa Reinhard Gehlen (einst Generalmajor der Wehrmacht), in den Sechziger Jahren sogar Präsident des Bundesnachrichtendienstes werden konnte. Auch wurde hier wieder sehr deutlich, das jeder Kriegsverbrecher - auch wenn er 90 Jahre und älter ist – sich vor einem Gericht und den Menschen verantworten muss ! Claire Winter hat für ihren Roman gut recherchiert und das Thema so in ihren Roman verpackt, das die Geschichte sich fast schon wie ein Krimi lesen lässt. Die Autorin schreibt sehr flüssig, ohne große Abschweifungen, allerdings mit vielen Zeitsprüngen, so das man schon konzentriert lesen muss. Sie charakterisiert ihre Protagonisten sehr gut, man kann sich gut in diese hineindenken und ihre Handlungen nachvollziehen. Auch ist der Roman keinesfalls vorhersehbar und hat einige Überraschungen auf Lager. Bei mir sind die Seiten nur so dahingeflogen und ich würde sagen, diese Buch ist ein absoluter – um es mal neudeutsch zu sagen - Pagerunner. Ich kann diesen Roman jedem empfehlen, der mehr als nur gute Unterhaltungsliteratur lesen möchte !!! Besten Dank an den Diana Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Bonn, 1948: Die junge Marie Weißenburg, bekommt eine ganz besondere Stelle angeboten. Sie wird eine der Sekretärinnen im neu formierten Parlamentarischen Rat. Die Stelle verschafft ihr vor allem Ablenkung, denn seitdem ihr Vater, ein Offizier im Krieg gefallen ist, ist zu Hause nichts mehr wie früher. Aus Berlin, wo Marie, ihre Mutter, ihr Vater und ihre zwei Brüder Helmut und Fritz in einem schönen Haus, gut situiert lebten, mussten sie kurz vor Kriegsende flüchten und ließen sich schließlich in Köln nieder. Seitdem scheint es jedoch, als würden ihre Brüder und ihre Mutter etwas vor ihr verbergen. Und auch der Patenonkel von Helmut und Fritz, Onkel Karl, benimmt sich äußerst sonderbar. Marie ist erschüttert, als sie erfährt, dass einem der engsten Freunde ihres Vaters in Nürnberg der Prozess gemacht werden soll und sie fragt sich schließlich, ob ihr gefallener Vater so unschuldig war, an den Kriegsverbrechen, wie es ihr alle anderen glauben machen wollen. So fährt sie heimlich nach Nürnberg und verfolgt die Verhandlung. Dort lernt sie auch die Jüdin Lina kennen, hilft ihr aus einer Notsituation und freundet sich mit ihr an. Auch der Journalist Jonathan hält sich in Nürnberg auf und ist den beiden Frauen während eines Ablenkungsmanövers gefällig. Marie und Jonathan haben sich bereits kurze Zeit zuvor kennen gelernt und vertiefen ihre Bekanntschaft miteinander. Sie spüren gleich, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Jonathan ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Marie, eine Schlüsselfigur bei seinen Recherchen für einen brisanten Artikel sein wird… Berlin, 1949: Vera arbeitet für einer Zeitung; schreibt allerdings nicht im politischen Ressort. Als ihr bester Freund seit Kindertagen, Jonathan, der ebenfalls dort angestellt ist, während seiner Recherchen für eine scheinbar hochexplosive Story, von einem Laster überfahren wird, ist Vera alarmiert. Vor allem, als ihr Jonathans letzte Aufzeichnungen auf postalischem Wege zugestellt werden und sich herausstellt, dass Jonathan ermordet wurde. Vera beschließt, Jonathans letzten Wunsch zu erfüllen und seine Story, über geflohene Kriegsverbrecher, zu Ende zu schreiben. Doch bei ihren Nachforschungen, begibt sie sich auf äußerst dünnes Eis und in Lebensgefahr. Denn sie hat mächtige Gegner, die unter allen Umständen verhindern wollen, dass Jonathans Entdeckungen, eines Tages, öffentlich gemacht werden. Gerade in Zeiten des politischen Umbruches in Deutschland… Bereits seit ihren Vorgängerromanen „Die Schwestern von Sherwood“ und „Die verbotene Zeit“, liebe ich Claire Winters Romane, da die Autorin stets interessante Themen aufgreift, die auf sehr unterhaltsame Art und Weise von ihr dargeboten werden. Auch „Die geliehene Schuld“, ihr aktuelles Buch bildet da keine Ausnahme. Diesmal führt Claire Winter ihre Leser in die Nachkriegszeit und in die, für Außenstehende, recht undurchsichtige Welt der Geheimdienste. Im Mittelpunkt ihres Romans stehen zwei starke junge Frauen, aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Während Marie begütert und von ihren Familienmitgliedern behütet aufwuchs, musste Vera, schon sehr früh, große Verluste verkraften. Im Krieg, starben, erst ihre Eltern und wenig später, ihr Ehemann. Eines haben die Frauen jedoch gemeinsam. Sie sind des Krieges müde, handeln jedoch, als es darauf ankommt mutig, entschlossen und uneigennützig, damit die Wahrheit ans Licht kommt. Allerdings zögert Marie gefährlich lange; zu lange, was man als Leser jedoch gut nachvollziehen kann. Obwohl die Akteure dieses Romans zum größten Teil fiktiv sind, hat die Story, mit der sich Jonathan beschäftigt, einen wahren Kern. Er findet nämlich heraus, dass Kriegsverbrechern mit Hilfe der Kirche und anderen Organisationen zur Flucht verholfen wird. Und dass die Alliierten kein großes Interesse daran zu haben scheinen, die Flüchtenden zu stoppen. Ich war beim Lesen hin und hergerissen; einerseits fand ich es überaus packend und spannend geschildert, wie Marie und Vera sich gegen mächtige Gegner behaupten müssen- andererseits ging mir die Geschichte so sehr unter die Haut, dass ich den Roman zwischenzeitlich weglegen musste, um diverse Romanpassagen besser verarbeiten zu können. Überhaupt sollte man diesen Roman sehr aufmerksam lesen, damit man nicht die Übersicht verliert, denn die Handlung wird, zeitversetzt, nicht nur aus der Sicht von Vera und Marie vorangetrieben- später kommen noch andere Figuren dazu. Einen guten Leitfaden hat der Diana Verlag dem Leser sozusagen mit in die Hand gegeben, denn es befindet sich im Inneren des Buches ein bedrucktes Lesezeichen mit Personenverzeichnis. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig wie gewohnt, die Figuren sind gut charakterisiert und man kann sich gut in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten hineindenken. Was aber noch wichtiger ist. Die Autorin wartet, bezüglich der (nur sporadischen) Verfolgung von Kriegsverbrechern, mit erschreckenden Fakten auf, die mir, in diesem Ausmaße, vor dem Lesen des Buches nicht in Gänze bewusst waren. Obwohl „Die geliehene Schuld“, streng genommen zur Unterhaltungsliteratur gehört, über die so manch ein Leser, der sich nur gehobene Literatur zu Gemüte führt, die Nase rümpft (zu Unrecht, wie ich finde ), ist es ein wichtiger, aufklärender Roman, der möglichst viele Leser erreichen sollte. Kurz gefasst: Wenn Moral auf eiskalte Politik trifft- Eindringlicher, unter die Haut gehender Nachkriegsroman, der nach dem Lesen noch lange in mir nachhallte.

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Nach dem Krieg

Von: Annegret aus Gladbeck/Deutschland

29.03.2018

Die Autorin Claire Winter entführt uns in ihrem Roman "Die geliehene Schuld" in das Nachkriegsdeutschland und zur Redakteurin Vera Lessing, die während dem Zweiten Weltkrieg ihre Eltern und ihren Mann verloren hat. Als ihr Jugendfreund und Kollege Jonathan Jacobsen auf schleierhafte Art und Weise umkommt, wird Vera in seine Arbeit hineingezogen. Jonathan hat Recherchen über ehemalige Kriegsverbrecher betrieben. Er stand in persönlichem Kontakt zu Marie Weißenburg, die unter Konrad Adenauer als Sekretärin arbeitete. Mit der Spurensuche begibt sich Vera auf einen gefährlichen Weg, der sie auch zu den Geheimdiensten führt. Dieser Roman entführt uns in eine Zeit der Geschichte, als die Menschen in Deutschland - nach Ende des Krieges - neu anfangen mußten, eine Zeit, in der man noch nicht wußte, wohin der Weg ging, aber auch eine Zeit, in der man die Kriegsgeschehnisse vergessen wollte. Aber die junge Frau in dieser Geschichte, Marie, sucht Antworten. Was hat ihr verstorbener Vater im Krieg gemacht? Da sie Zuhause keine Antworten erhält, wendet sie sich den den Journalisten Jonathan und bittet ihn um Hilfe. Jonathan möchte als Journalist Geschehnisse aufarbeiten und erklären. Vera, seine Jugendfreundin, will einfach nur einen Neuanfang und das Trauma des Krieges vergessen. Kurz bevor Jonathan umkommt, gelingt es ihm, ein Paket mit seinen Recherche-Unterlagen an Vera zu schicken. Jetzt will Vera die Arbeit von Jonathan fortführen. Dabei begibt sie sich auf einen gefährlichen Weg. Die Jüdin Lina, die fast ihre gesamte Familie verloren hat, kehrt nach Deutschland zurück, um zu versuchen, den Krieg zu verstehen. In Nürnberg trifft sie auf Marie. Daraus entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Die Autorin bietet mit diesem Roman eine sehr gut recherchierte, spannende und sehr emotionale Geschichte an, die sehr zum Nachdenken anregt. Die Protagonisten und Nebencharaktere sind ausführlich beschrieben und das erlaubt dem Leser, sich gut in sie hineinversetzen zu können. Die Handlungsstränge, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, bleiben spannend bis zum Schluß. Mich hat diese Geschichte sehr beeindruckt. Ich habe zwar schon mehrere Geschichten gelesen, die die Kriegs- und Nachkriegszeit widerspiegelten, aber das Thema Kriegsverbrecher war mir in einem derartigen Umfang nicht bekannt. Besonders beeindruckt haben mich in dieser Geschichte Vera und Marie, die - auch wenn sie Gefahren ausgesetzt sind - mit viel Mut versucht haben, ihr Ziel zu verfolgen.

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Der Autorin gelingt es hervorragend, historische Fakten mit Fiktion zu verbinden und dadurch eine komplexe Handlung auferstehen zu lassen. Das Ergebnis ist eine tragische und spannende Geschichte mit Thriller-Elementen, die einen Einblick in unsere eigene Vergangenheit gibt. Sie ist um die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt, mit der die NS-Diktatur ein für alle mal überwunden und ein politischer Neuanfang auf demokratischen Prinzipien eingeleitet werden sollte. Der Roman zeichnet sich durch zwei mutige Frauen aus: zum einen Vera Lessing in Berlin, die während des Krieges ihren Mann und ihre Familie verloren hat und die ihrem Freund Jonathan das Leben verdankt. Daher ist für sie schnell klar, dass sie den letzten Willen ihres toten Freundes erfüllen möchte, auch wenn sie dazu in Abgründe steigen muss, aus denen es kein Zurück mehr gibt. Vera ist sehr mutig, zumal sie nicht weiß, wem sie überhaupt trauen kann, aber sie geht ihren Weg und setzt schlussendlich alles auf eine Karte. Zum anderen haben wir die junge Marie Weißenburg, die in Bonn als Sekretärin im Parlamentarischen Rat unter Adenauer arbeitet. Marie und ihrer Familie geht es verhältnismäßig gut, auch wenn sie immer noch unter dem Verlust ihres geliebten Vaters leidet, der im Krieg gefallen ist. Über Politik hat sie sich bis zur ihrer Arbeit für den Rat nicht allzu viele Gedanken gemacht, bis sie eines Tages aus der Zeitung davon erfährt, dass ein alter Kollege und Freund ihres Vaters in den Nürnberger Prozessen unter Anklage steht. Marie plagen zunehmend Zweifel und Fragen über die frühere Tätigkeit ihres Vaters im Reichsicherheitshauptamts. Als Marie bei den Nürnberger Prozessen Lina Löwy kennenlernt, eine junge Jüdin, die beinahe ihre komplette Familie im Holocaust verloren hat, will sie unbedingt die Wahrheit herausfinden und ist nicht mehr gewillt, wegzusehen. Die Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen ist so berührend beschrieben, zumal die Autorin verraten hat, dass es für diese ungewöhnliche Freundschaft ein reales Vorbild gibt. Die Handlung ist in zwei sich abwechselnde Erzählstränge aufgeteilt: im ersten Strang begleiten wir Vera, wie sie den Spuren von Jonathan und seinen Recherchen folgt. Der zweite Erzählstrang spielt einige Monate und Wochen vorher und begleitet Jonathan und Marie, was mir sehr gut gefallen hat, denn nach den Erinnerungen von Vera an ihren alten Freund hatte ich es anfangs bedauert, nicht mehr von ihm erfahren zu haben. Neben diesen beiden Frauen, die sich gegen alle Widerstände mutig der Vergangenheit stellen, bekommt der Leser auch einen Einblick in historische Fakten, die in ihrer Gesamtheit erschütternd und einfach nur skandalös sind. Es geht um ehemalige Kriegsverbrecher, die sich über die sogenannte Rattenlinie über die Alpen nach Italien abgesetzt haben und deren Spuren sich dort entweder verloren haben oder deren Akten nachträglich beschönigt wurden, so dass diese Menschen plötzlich mit einer weißen Weste dastanden und es ihnen damit möglich war, mächtige Positionen in der jungen Republik einzunehmen. Und das alles mit dem stillschweigenden Einverständnis der Alliierten bzw. der Unterstützung der italienischen katholischen Kirche, welche damals äußerst zweifelhafte Prioritäten setzte, um eine Machtergreifung der Kommunisten zu vermeiden. Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern um Zahlen, die mich einfach sprachlos zurücklassen. Um politische Interessen zu wahren, wurde die Moral mit Füßen getreten und das Schlimme dabei ist, dass das kein Einzelfall war bzw. sein wird. Zudem fragt man sich, inwiefern die Übernahme der alten Welt- und Feindbilder in die Geheimdienststrukturen der jungen Republik sich auch heute noch auswirken. Ein tolles und wichtiges Buch, das aufwühlt und zum Nachdenken anregt. Auch wenn wir erst März 2018 haben, so wage ich doch zu behaupten, dass dieses Buch eines meiner Highlights dieses Jahres darstellen wird.

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Der Zweite Weltkrieg hat die bis dahin bekannten Strukturen in Politik und Gesellschaft verändert. Die Herrschaft der Nationalsozialisten zeigte ebenfalls auf, dass derartige Verbrechen in der Zukunft nicht mehr so leicht möglich sein dürfen. Die Alliierten arbeiteten noch Jahre daran, die Kriegsverbrecher gemäß ihrer Vergehen eine gerechte Strafe zukommen zu lassen. Insgesamt gab es zwölf Nachfolgeprozesse der Nürnberger Prozesse, die Ärzte, Regierungsvertreter, Industrielle und militärische Führer anklagten. In diesem dritten Roman von Claire Winter wird vor allem der elfte Fall um den Wilhelmstraßen-Prozess beleuchtet. Der Journalist Jonathan berichtet für eine Berliner Zeitung von den Prozessen. Zusätzlich scheint ihn noch ein weiteres Thema zu beschäftigen. Mit seinen Recherchen hat er Leute auf sich aufmerksam gemacht, die auch vor Mord nicht zurückschrecken, um ihre Machenschaften nicht veröffentlicht zu sehen. Jonathan ahnt die Gefahr und schickt seiner Freundin und Kollegin Vera seine Recherchen mit der Bitte, diese unbedingt weiterzuführen, sollte ihm etwas zustoßen. Die in diesem Ressort unerfahrene Vera fühlt sich verpflichtet, der Story um die Flüchtlingsströme über die Alpen nach Italien nachzugehen und bringt sich selber in Lebensgefahr. Claire Winter schreibt aber auch von den Menschen in dieser turbulenten Zeit. Sie verdeutlicht deren Wunsch nach Leben und Sehnsucht nach Frieden. Beispielhaft steht dafür Marie, die als Sekretärin im Kanzleramt arbeitet. Sie lernt während einer Pressekonferenz Jonathan kennen und verliebt sich in ihn. Sie planen schon bald eine gemeinsame Zukunft. Ebenfalls dabei ist die junge Jüdin Lina, die Deutschland als ihre Heimat ansieht und sich nicht vertreiben lassen will. Durch sie wird die willkürliche Behandlung durch die Gestapo deutlich. Ihr Verlust der Eltern und Geschwister trägt unterschwellig zum emotionalen Leseerlebnis bei. Die doppelsträngige Handlung setzt sich aus fiktiven und historisch belegten Charakteren zusammen. Die Zeit zwischen Kriegsende und Wirtschaftsaufschwung wird authentisch geschildert. Plausibel wird die Neuordnung der Regierung der jungen Republik aufgezeigt. Natürlich werden auch Fragen aufgeworfen, ob in den Prozessen wirklich alle Schuldigen verurteilt wurden, oder ob sie vielleicht doch untertauchen konnten. Es geht auch um die Organisation Gehlen, aus der sich später der Bundesnachrichtendienst gründete. Zum Verständnis des komplexen Themas werden alle Sichtweisen verdeutlicht. Es gibt Täter, Opfer und Mitläufer. Der Roman trägt dazu bei, die Vergangenheit noch 73 Jahre nach Kriegsende aufzuarbeiten und an die brutale Vorgehensweise und das Netz aus Seilschaften unter den NS-Leuten zu erinnern. Die Zusammenhänge zwischen den Personen erkennt man auf den ersten Blick nur schwer. Von daher sind alle Zutaten für einen mitreißenden historischen Roman enthalten, den ich hiermit ganz besonders empfehle. Kein Geschichtenerzähler hätte sich die Wahrheit spannender ausdenken können.

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Nicht nur, weil ein ungeklärter Todesfall den Anfang des Romans mitbestimmt, auch was den Spannungsbogen angeht, hat dieser neue Roman von Claire Winter deutliche Tendenzen in den Kriminal- und Thriller-Bereich. Was bereits der Prolog in den Raum setzt. Dieses konspirative Treffen unbekannter Männer, 1945 irgendwo im Allgäu. Das wirkt geheim und geheimdienstliche Verbindungen werden sich Stück für Stück im journalistischen Recherchegeschehen, das den roten Erzählfaden des Romans in Person der Journalistin Vera Lessing, trägt. „Das er trotz allem immer an Gerechtigkeit geglaubt hatte, erschien ihm jetzt wie blanker Hohn. Wenn alles stimmte……die Öffentlichkeit musste davon erfahren“. So denkt der Journalist Jonathan, als er brisantes Material zu Gesicht bekommt. Mehr als einen Brief an seine Freundin Vera mit Andeutungen und Hinweisen aber wird es nicht geben. Dieser Brief aber ist bei der Richtigen gelandet, denn zäh wird sich Vera an all das hängen und keine Ruhe geben, so drängend die persönliche Gefahr für sie selbst auch mit jedem Schritt werden wir. Ein stückweit düster, vor allem aber mit klaren Schritten und durchgehend angenehmem Tempo erzählt dabei Claire Winter von Vera und anderen Protagonisten, die an der Schnittstelle einer zerstörten Welt und einer Welt im Aufbau mehr und mehr, sei es durch „den Fall“, sei es durch die eigene Familie, sei es durch das Erleben einer Betroffenen, die „Verbindungen der Schuld“ zwischen beiden Systemen, dem dritten Reich und der neuen Republik, erfahren müssen, wie wenig sich unter der Oberfläche der „Macht“ wirklich geändert hat und welche Menschen es geschickt oder durch Protektion verstanden haben, nahtlos an ihre Zeit im dritten Reich nun anzuknüpfen. „Marie verspürte Schuldgefühle, beinah kam sie sich vor wie eine Verräterin, weil niemand wusste, dass sie überhaupt zu diesem Prozess gefahren war, nicht einmal, dass sie überhaupt nach Nürnberg gefahren war“. Nürnberg, Ort des Prozesses gegen die Nazi-Größen, aber auch gegen Handlanger. Und einen davon, der steht ihrer Familie nah. Auch Marie will wissen, was genau geschehen ist, was ihr Vater vielleicht weiß, und nicht sagt. So hindert die Vergangenheit, die traumatisiert, die jedem ein Gefühl von Schuld mit auf den Weg gibt, die Hauptpersonen des Romans zunächst an dem, was sie am dringendsten wollen, nämlich einen Strich ziehen und die Zukunft gestalten. In dieser inneren Situation der fassbaren Personen im Roman spiegelt Winter hintergründig die Verfassung der ganzen Zeit. Dieses „Rette sich wer kann“, dieses erleichtert sein, aber auch, mit Recht, bang nach hinten schauen und diese große Sehnsucht, neu anfangen zu können, in Frieden. Doch Gerechtigkeit ist etwas, was zumindest die wichtigen Akteure im Romane für diesen inneren Frieden benötigen, Seite für Seite. Und damit auch ein Stück “gegen das System“ sich stellen, das in nicht wenigen Richtungen lieber einen Generalstrich ad hoc unter alles ziehen wollen. Die „offizielle Seite“ des „Unterschlüpfens“ alter Beteiligter im neuen Gewandt, dies vollzieht Vera im Roman, die Verstrickungen des „normalen Menschen“ in all das und wie auch diese versuchen, dies durch Schweigen ungeschehen zu erklären, dieser Strang ist für Marie im Roman vorbehalten. Flüssig zu lesen, fundiert recherchiert, atmosphärisch dicht und spannend, eine klare Leseempfehlung.

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